Finanzen

»Immobilien sind langfristig weniger rentabel als Aktien«

Gerd Kommer im campus.de Interview über sein neues Buch »Immobilienfinanzierung für Selbstnutzer«.

Herr Kommer, noch immer gelten Immobilien als solide Wertanlage. Stimmt das überhaupt?

Gerd Kommer: Kommt darauf an, was mit »solide Wertanlage« gemeint ist. Wenn damit »risikoarm und gleichzeitig rentabel« gemeint ist, dann ist eine solche Aussage eher fragwürdig. Auf der Basis historischer Daten kann man jedenfalls sagen: Immobilien sind langfristig weniger rentabel als Aktien und das Eigenkapital in einer typischen Wohnimmobilienfinanzierung mit anfänglich 70 Prozent Kredit ist nicht viel weniger risikoreich als ein global diversifiziertes Aktieninvestment. Mancher Haushalt, der eine selbstgenutzte Wohnimmobilie kauft, übersieht, dass es sein Eigenkapital ist, auf das er bezüglich Rendite und Risiko schauen muss, nicht der Objektwert.

Ein anderer Irrtum ist es, anzunehmen der Preis meiner Immobilie schwankt kaum, nur weil ich diese Schwankungen nicht täglich oder monatlich in der Zeitung oder Internet ablesen kann, wie bei einer Wertpapieranlage. Hier wird »nicht sehen« mit »nicht existieren« verwechselt. Und schließlich: Die recht hohen Wertsteigerungen und Renditen während der vergangenen sieben Jahre einigen deutschen Großstädten sind ganz sicherlich nicht repräsentativ für die langfristige Zukunft, genauso wenig repräsentativ, wie die spektakulären Aktienrenditen von 1995 bis 2000 langfristig repräsentativ waren. Außerdem leben 85 Prozent der Deutschen nicht in diesen sieben Großstädten.

Gibt es eine grundsätzliche Regel, für wen sich Immobilienkauf heute eigentlich lohnt?

Gerd Kommer: Das Buch enthält ein Kapitel darüber, wie man feststellen kann, ob ein gegebener Preis »fair« ist, überteuert ist oder günstig ist. Wer überteuert einkauft, wird – wird wohl trotz der derzeit sehr niedrigen Zinsen – keine passable oder gar rentable Investition haben. Erfreulicherweise ist das allgemeine Preisniveau außerhalb der sieben besagten Großstädte – Berlin, München, Stuttgart, Frankfurt am Main, Düsseldorf, Köln und Hamburg – Anfang 2017 immer noch akzeptabel und wer sich die heute sehr niedrigen Zinsen jetzt auf 10 oder 20 Jahre sichert, der dürfte wohl finanziell gut fahren. Vorausgesetzt er bleibt mindestens 10 Jahre in der Immobilie. Allerdings ist der Kauf eines Eigenheims, also einer selbstgenutzten Immobilie, ja nicht nur eine finanzielle, sondern auch eine Lebensstilentscheidung. Bei den meisten Haushalten überwiegt das Lebensstilelement.

Was sind die wichtigsten Schritte bei der Einschätzung/Ermittlung des Kaufpreises?

Gerd Kommer: Wenn der Kaufpreis eines Zielobjektes schon vorgegeben ist, dann schätzt man eine konservative Bruttomiete (Kaltmiete) für das Objekt. Das sollte nicht allzu schwer sein. Dabei ist unerheblich, dass das Objekt ja gar nicht vermietet werden soll. Aus dem Kaufpreis, einschließlich Kaufnebenkosten und der geschätzten Bruttomiete, kann man die Bruttomietrendite ableiten. Anhand derer lässt sich dann recht simpel beurteilen, wie preisgünstig oder teuer das Angebot ist bzw. um wieviel der Kaufpreis sinken müsste, damit ein zu teuer angebotenes Objekt einen »fairen« Preis bekommt. Im Einzelnen ist der Beurteilungsprozess ein klein wenig komplexer als hier dargestellt. Die weiteren Details, die man beachten muss, werden im Buch erklärt.

Ihr Buch gibt potentiellen Hauskäufern die Möglichkeit, auf Augenhöhe mit Maklern, Verkäufern und Bankberatern zu sprechen und zu verhandeln. Ein geldwerter Vorteil?

Gerd Kommer: Ja, auf jeden Fall! Wenn Sie Makler, Fertigbauhersteller, Bauträger, Verkäufer und Bankberater dazu »nutzen« sich erst einmal Immobilien-Know-How anzueignen, machen Sie einen Riesenfehler. Sie müssen dieses Know-How schon haben, bevor Sie anfangen, mit diesen hochgradig interessenkonfliktbehafteten Leuten zu sprechen. Haben Sie das nicht, kann das für Sie sehr teuer werden. Schlimmer noch, Sie werden das vermutlich nicht einmal merken. Mein Buch vermittelt dieses Know-How.

Was sind aus Ihrer Sicht die Stärken Ihres Buches gegenüber anderen Ratgebern für den Immobilienkauf?

Gerd Kommer: Ich glaube mein Buch hat im Vergleich zu den anderen Ratgebern drei Stärken: Die meisten anderen sind von Vertretern der Immobilien- oder Finanzierungsbranche geschrieben, also Institutionen, die einem dicken Interessenkonflikt unterliegen. Ein Beispiel: Eine kritische Auseinandersetzung mit Bausparverträgen ist wohl nicht zu erwarten von einem Autor, der bei einer Bausparkasse arbeitet oder diese berät. Bei mir gibt es solche Interessenkonflikte nicht. Zweitens fehlt in allen anderen vergleichbaren Büchern eine Darstellung der historischen Renditen von Eigenheimen. Das finde ich erstaunlich. Stellen Sie sich mal ein Ratgeberbuch zu Aktien vor, das keine Zahlen zu historischen Aktienrenditen enthält. Drittens beschränkt sich mein Buch auf selbstgenutzte Wohnimmobilien und vergeudet keinen Platz mit Vermietungsobjekte. Mehrere andere Bücher leiden daran, dass sich der Autor dieser Selbstbeschränkung nicht unterworfen hat. Daraus resultiert dann ein unnötig konfuser Mix aus Ratgeber für Selbstnutzer und Ratgeber für Vermieter, obwohl beides sehr unterschiedliche Themengebiete sind.

 

Zum Autor

Dr. Gerd Kommer, LL.M. studierte BWL, Steuerrecht, Politikwissenschaft und Germanistik in Deutschland, den USA und in Liechtenstein. Er leitet ein Finanzberatungsunternehmen in München. 2016 wurde er für "Souverän investieren mit Indexfonds und ETFs" mit dem Deutschen Finanzbuchpreis ausgezeichnet.

 

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15.03.2017