Wissenschaft

»Für die Wissenschaft galt lange, Karrieren seien nicht planbar.«

Mirjam Müller erklärt im Interview mit campus.de wie Karriereplanung in der Wissenschaft geht.

Sie beschreiben Ihr Buch »Promotion - Postdoc - Professur. Karriereplanung in der Wissenschaft« als Spielanleitung für Karrieren im Wissenschaftsbetrieb. Es wurde offenbar Zeit, diese ungeschriebenen Gesetze endlich zu notieren.

Oh ja! Karriereratgeber gibt es für viele Branchen und Berufe. Nur für die Wissenschaft galt lange, Karrieren seien nicht planbar, sondern von Glück und Zufällen abhängig. Dabei lassen sich viele Gesetzmäßigkeiten beobachten, etwa in Lebensläufen von Menschen, die auf Professuren berufen wurden. Sie haben viele ähnliche Dinge richtig gemacht. Mir war es wichtig, diese »Spielregeln« offenzulegen und damit Nachwuchswissenschaftlern eine Orientierung zu geben, nach der sie ihre Karrieren strategisch angehen können.

 

Ist die Wissenschaft ein Traumjob mit vielen Fallstricken?

Im Vordergrund steht für Nachwuchswissenschaftler zunächst der Traumjob: An aktuellen Fragen zu forschen, Neues zu entdecken, im Wettbewerb mit anderen intellektuell seine Kräfte zu messen, sich die Zeit frei einteilen zu können – das hat ja etwas Spielerisches, Paradiesisches, Sinnstiftendes. Die Fallstricke offenbaren sich erst auf den zweiten Blick: 90 Prozent der Verträge sind auf wenige Monate oder Jahre befristet, häufig stehen Umzüge im In- und Ausland an und dann ist auch noch die Wahrscheinlichkeit, eine Professur zu bekommen, recht gering: 600 Neubesetzungen pro Jahr stehen etwa 1.900 Qualifizierte gegenüber. Wer hier leer ausgeht, muss die Wissenschaft mit Ende Dreißig verlassen und in einem anderen Berufsfeld Fuß fassen.

 

Was sind die häufigsten Fragen, die Ihnen als Wissenschaftscoach begegnen?

»Wie war ich, Schatz?« steht an erster Stelle. Wissenschaft basiert einerseits auf einer Feedbackkultur: Wissenschaftliche Ideen, Publikationen, Fördermittelanträge werden von Kollegen begutachtet und bewertet. Auf der Arbeitsebene mangelt es andererseits oft an Rückmeldungen von Vorgesetzten und wissenschaftlichen Betreuern. Viele Nachwuchswissenschaftler sehnen sich nach konkretem Feedback zu ihren Leistungen und zu ihren Chancen, eine Professur zu bekommen. Als Coach kann ich mit ihnen einen systematischen Blick auf ihr akademisches Karriereportfolio werfen, also auf alle Bereiche, die für eine Bewerbung auf eine Professur relevant sind. Darauf aufbauend können gemeinsam Strategien für die weitere Karriere entwickelt werden.

 

Gibt es für Frauen in der Wissenschaft noch einmal ganz spezielle Fragen?

Ja, beispielsweise spielen Netzwerke eine große Rolle. Wissenschaftskarriere kann man nicht allein machen, sondern nur mit der Unterstützung von Mentoren. Frauen sind in der Regel weniger in einflussreiche Netzwerke integriert. Daher veröffentlichen sie weniger, haben schlechteren Zugang zu Informationen und geringere Unterstützung bei Bewerbungen. Als Coach interessiert mich, wie diese Problematik auf einer individuellen Ebene gelöst werden kann. Wie kann ich ein wohlwollendes Umfeld für meine Forschung finden, wie mache ich auf meine Leistung aufmerksam, welche Unterstützer kann ich für mich gewinnen?

 

Wenn Sie kurz die wichtigsten Fragen formulieren, die man sich vor der Entscheidung, in die Wissenschaft zu gehen (oder dort zu bleiben!), stellen sollte.

·       Wie fällt meine bisherige wissenschaftliche Bilanz aus? Welches Feedback bekomme ich aus meiner Scientific Community?

·       Gibt es erfahrene Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die mich unterstützen?

·       Kann und will ich mich auf sechs bis zehn ungewisse Berufsjahre mit befristeten Verträgen und mehrfachen Umzügen einlassen?

·       Welche andere berufliche Option würde mich reizen? Könnte ich diese Option auch in zehn Jahren verfolgen?

 

Diese Fragen sind möglicherweise unangenehm und nicht auf die Schnelle zu beantworten. Ich halte es aber für entscheidend, dass Nachwuchswissenschaftler sie sich stellen und Verantwortung für den eigenen Karriereweg übernehmen – ganz gleich, ob das Ziel dann Professur heißt oder Ausstieg aus der Wissenschaft.

 

Zur Person

Mirjam Müller arbeitet als Personalentwicklerin an der Universität Konstanz. Als Wissenschaftscoach hat sie zahlreiche Postdocs auf dem Weg zu ihrer ersten Professur im In- und Ausland begleitet. Ihre Expertise zu institutionellen Regeln und individuellen Gestaltungsmöglichkeiten der Wissenschaftskarriere erwarb die Historikerin auf verschiedenen verantwortlichen Positionen in der universitären Nachwuchsförderung. Sie ist Mitglied im Coachingnetz Wissenschaft e.V.

01.12.2014

Karriere

Promotion - Postdoc - Professur
Promotion - Postdoc - Professur
kartoniert
24,90 € inkl. Mwst.