Leben

»Wenn man dem Schweinehund zeigt, dass Veränderungen auch guttun, dann macht er gerne mit.« Marco v. Münchhausen

Wir kennen ihn alle, den inneren Schweinehund, der uns davon abhält, unangenehme Aufgaben anzupacken oder wichtige Entscheidungen zu treffen. Autor Marco v. Münchhausen erklärt uns, wie wir unseren » ärgsten Feind« zum besten Freund machen.

»So zähmen Sie Ihren inneren Schweinehund«, heißt ihr Bestseller, von dem Sie mehr als 100.000 Exemplare verkauft haben. Jetzt erscheint es in einer vollständig aktualisierten Neuauflage. Was ist neu am Schweinehund 2020? 

Marco von Münchhausen: Neu ist an dieser Jubiläumsausgabe zum 18. Geburtstag des inneren Schweinehundes ist insbesondere das Thema Digitalisierung. Da ist einmal die Frage, wie man seinen Schweinehund überwindet, die Vorteile der Digitalisierung zu nutzen – und das in jeder Lebenssituation, ob als junger Mensch oder auch im fortgeschrittenen Alter: Wie kann ich in vorsichtigen Schritten Hand in Hand mit meinem Schweinehund im digitalen Zeitalter ankommen. Aber umgekehrt geht es auch darum, seinen Schweinehund zu überwinden, manchmal auf die digitalen Medien zu verzichten – eine Herausforderung, vor der wohl eher die »digital natives« stehen. Es ist also eine Medaille mit zwei Seiten: Die Vorteile der Digitalisierung zu nutzen, aber gleichzeitig sich nicht von der Digitalisierung vereinnahmen zu lassen und immer wieder Zeiten des Verzichts zu praktizieren – auch wenn der Schweinehund das nicht so gerne mag.

 

Unser innerer Schweinehund taucht meistens dann auf, wenn wir unsere Gewohnheiten verändern, ein aufgeschobenes Projekt in Angriff nehmen wollen oder eine unliebsame Aufgabe erledigen müssen. Woran liegt das?

M.v.M: Das liegt vor allem an der Art, wie unser Nervensystem konditioniert ist. Wir werden von Kindheit an geprägt und automatisieren bestimmte Dinge in unserem Leben. Das hat durchaus Vorteile. Nachteilhaft ist halt, wenn diese Automatisierung, diese Konditionierungen und diese eingeprägten Verhaltensweisen uns daran hindern, etwas in unserem Leben zu verändern. Der Schweinehund möchte die Sachen gerne immer so machen wie bisher: das gleiche Essen, die gleichen Wege, die gleichen Gewohnheiten usw. Aber: Wenn man dem Schweinehund zeigt und ihn spüren lässt (sprich: unserem Nervensystem die Erfahrung erlaubt), dass Veränderungen auch guttun, dann macht er gerne mit.

 

Gibt es etwas, das wir im Umgang mit unserem Schweinhund häufig falsch machen – ihn also widerborstig stimmen, anstatt ihn zu motivieren?

M.v.M: Ich glaube, der größte Fehler, den wir alle – mich eingeschlossen – immer wieder machen, ist, zu viel Druck zu erzeugen. Wir neigen dazu, uns zu viel vorzunehmen, von heute auf morgen alles anders machen zu wollen. Gleich mit einem Megasportprogramm zu beginnen oder das Essen komplett umzustellen. Wenn wir ihn überfordern, dann macht er nicht mit. Und der zweite Fehler – er hängt mit dem ersten zusammen – ist, wenn wir ihm etwas verbieten. Wenn ich für einen Monat gar keine Schokolade oder gar kein Fleisch mehr essen will, dann wird er aggressiv. Wenn ich aber ein vorsichtiges Programm, quasi Schritt für Schritt angehe, also nach und nach mehr Sport treibe, weniger Süßes oder Fettes esse etc., wenn ich ihn an die Hand nehme und ihn positive Erfahrungen machen lasse, dann ist er dabei.

 

In ihrem Buch werfen wir einen Blick in die Trickkiste der Schweinehunde. Welcher verblüfft Sie davon (nach wie vor) am meisten?

M.v.M: Der Trick, der mich am meisten verblüfft und dem auch ich selbst immer wieder auf den Leim gehe, ist die »Ausnahmefalle«. Wenn wir mit einer neuen Gewohnheit starten und die erste Ausnahme machen, dann kommt die zweite ganz schnell im Schlepptau hinterher und in kürzester Zeit sind wir wieder beim alten Verhalten. Die passende Formel, sozusagen der Schweinehund-Dreisatz lautet: Ausfallen lassen, schleifen lassen, sein lassen. So kriegt er uns immer wieder. Wenn wir es hingegen schaffen, in der Anfangsphase eines neuen Vorhabens einfach keine einzige Ausnahme zuzulassen, dann hat man relativ schnell gewonnen. Wenn wir beispielsweise etwas täglich machen wollen, braucht es nur 6-8 Wochen, bis das neue Verhalten fest verankert ist – länger braucht man nicht. Das sage ich allen anderen, das weiß ich selbst natürlich auch ganz genau – und dennoch kann auch immer mal wieder in dieser Falle landen. Das ist die verblüffendste und die effektivste Falle, in die der Schweinehund uns immer wieder lockt.

 

Nach ihrem Buch ist der Schweinehund kein Feind mehr, sondern ein Verbündeter. Was machen wir, wenn er uns das nächste Mal von einer wichtigen Aufgabe abhalten will?

M.v.M: Dass wir ihn zum Freund machen heißt nicht, dass er nicht trotzdem versuchen wird, uns auszutricksen. Wir müssen ihn halt an die Hand nehmen und zähmen, das heißt behutsam mit ihm in kleinen Schritten unsere Dinge angehen. Aber nicht nachlassen! Und so wie man ein Pferd zähmt und zureitet, darf man nicht darauf vertrauen, dass es nicht trotzdem immer mal wieder versuchen wird, einen abzuwerfen. Aber wenn der Schweinehund mit der Zeit die Erfahrung macht, dass das, wozu ich ihn verleiten will, letztlich uns beiden – also unserem gemeinsamen Leben – guttut, dann ist er viel leichter dabei.

 

Der Schweinehund geht mit der Zeit: wie wichtig ist das Thema Nachhaltigkeit in Ihrem neuen Buch?

M.v.M: Ich arbeite zurzeit an einem neuen Buch: »Nachhaltigkeit mit dem inneren Schweinehund« – und da steht die Nachhaltigkeit natürlich im Zentrum. Ich möchte dort zeigen, wie man seinen Schweinehund dazu bringt daran mitzuwirken, dass dieser Planet ein wenig besser behandelt wird. Und dazu kann jeder mit einzelnen kleinen Schritten etwas beitragen. Und auch hier gelten eigentlich die altbekannten Prinzipien im Umgang mit dem inneren Schweinehund: Ich muss nicht von heute auf morgen mein ganzes Leben umstellen. Ich kann es in kleinen Schritten tun. Vielleicht fange ich ja erst mal mit dem an, was mir – und meinem Schweinehund – am wenigsten weh tut. Und je mehr ich einen Beitrag leiste, sei es nun durch Verzicht auf Plastiktüten oder indem ich Strecken in der Stadt mit dem Fahrrad statt mit dem Auto zurücklege, je mehr ich diese kleinen Schritte tue, umso leichter wird er dann auch bei größeren Aktionen mitmachen. Also wieder geht es darum, wie ich mein Verhalten ändern kann, ohne dass mein Schweinehund mir dabei in die Quere kommt, um einen sinnvollen Beitrag zur Erhaltung dieser Welt zu leisten.

 

Zum Autor

Dr. Marco von Münchhausen ist Jurist, Trainer, Berater und Autor mehrerer Bestseller. Mit den psychologischen Hindernissen auf dem Weg zum Erfolg und zur richtigen Lebensführung beschäftigt er sich seit vielen Jahren. In seinen Vorträgen hat er bereits mehr als einer halben Million Menschen zeigen können, wie sie ihren inneren Schweinehund zum besten Freund machen.

 

21.04.2020