Wenn die Terroranschläge, die sieben IS-Dschihadisten am 13. November 2015 in Paris verübten und die mindestens 130 Tote forderten, etwas symbolisieren, dann dies: Der Terror des »Heiligen Krieges« ist nun endgültig in den Hauptstädten Europas angekommen. Für die Regierungen in Frankreich, Deutschland und den mit ihnen verbündeten westlichen Staaten ist dies ein unüberhörbarer Paukenschlag. Verflogen sind nun die letzten Illusionen. Bis zu diesem »schwarzen Freitag« hatten die Politiker in Paris und Berlin sich noch in dem Traum gewiegt, die Metropolen und Hauptstädte Europas durch ein Bündel von (seit 2014 kontinuierlich verstärkten) geheimdienstlichen, polizeilichen und militärischen Präventiv- und Gegenmaßnahmen vor dem schlimmsten Horror des Dschihadismus schützen zu können.
Doch Paris war ein Schlussstrich. Zerstoben ist nun der Traum, eine zumindest relative Sicherheit in Europa bewahren zu können. Vorbei sind auch die Zeiten, in denen wir wähnten, dass sich das Kampfgeschehen primär auf die Kernzone des Nahen Ostens, vor allem auf die politisch und territorial zerbrochenen Nationalstaaten Irak und Syrien sowie angrenzende Staaten, beschränken würde. Sowohl die äußerst gründlich vorbereiteten und präzise koordinierten Anschläge der IS-Dschihadisten in Paris als auch die große Anzahl unschuldiger Opfer zeugen von einer neuen, bislang nicht erwarteten Qualität des Terrors. Als Ergebnis dürfte in der Staatselite und Gesellschaft Frankreich wohl ein nationales Terror-Trauma entstehen, das dem Erlebnis des »11. Septembers« in den USA vergleichbar ist und lange nachwirken wird. Darüber hinaus symbolisieren die brutalen Anschläge eine Zäsur von kaum abschätzbarer historischer Tragweite. Unverkennbar hat der Kampf des Westens gegen den »Islamischen Staat« eine neue Eskalationsstufe erreicht. Und sehr wahrscheinlich wird sie nicht die letzte bleiben. Frankreichs Präsident François Hollande erklärte am Tag nach den Attentaten unumwunden, dass sein Land nun im Krieg mit dem Dschihadismus stehe. Das dürfte auch Auswirkungen auf Deutschland haben, dessen Politiker sich nun der unbequemen Realität dieses Krieges nicht mehr entziehen können.
Wilfried Buchtas Buch »Terror vor Europas Toren«, ist beim Campus Verlag erschienen.
Wilfried Buchta ist promovierter Islamwissenschaftler. 2005 bis 2011 arbeitete er als politischer Analytiker für die UN-Mission im Irak. Als Zeitzeuge hat der Kenner der Region und ihrer Geschichte die politischen Ereignisse, die zum Erstarken der Terrormiliz Islamischer Staat geführt haben, täglich hautnah miterlebt.
