Wirtschaft und Gesellschaft

Die Revolution bahnt sich an

Der technologische Fortschritt höhlt den Kapitalismus aus und bringt eine Ära der Gemeingüter hervor. Das prognostiziert niemand Geringeres als Jeremy Rifkin. In seinem radikalen Ausblick erklärt er, warum die Freiheit zur Kollaboration den Zwang zur Konkurrenz schon bald ablösen wird.

Wenn Jeremy Rifkin recht hat, bleibt nicht mehr viel Zeit, um Profit zu machen. Wenn das eintritt, was er sagt, geht der Kapitalismus seinem Ende entgegen. Wenn sich seine Prognosen bewahrheiten, werden wir schon bald in einer Welt leben, die mit der, wie wir sie kennen, nicht mehr viel gemein haben wird – und wir haben allen Grund, sehr froh darüber zu sein. Es ist nicht das erste Mal, dass Rifkin einen Blick in die Zukunft wirft, der den Atem stocken lässt. Doch Rifkin wäre nicht einer der gefragtesten internationalen Wirtschafts- und Politikberater, hätte er nicht meistens recht behalten.

Was wird den Kapitalismus stürzen? Es ist keine Bedrohung von außen, so Rifkin in seinem neuen Buch »Die Null-Grenzkosten-Gesellschaft«, es ist sein grandioser Erfolg, der ihn implodieren lässt. Die Dynamik des Kapitalismus basiert auf Knappheit. Sein oberstes Ziel ist die Gewinnmaximierung durch eine beständige Steigerung der Produktivität. Die kapitalistische Dynamik treibt den technologischen Fortschritt an – der dazu führt, dass immer mehr Dinge und Dienste mit immer weniger Aufwand hergestellt und angeboten werden können. Sie werden also immer billiger, bis sie so billig sind, dass niemand mehr mit ihnen Geld verdienen kann. Damit aber entzieht sich der Kapitalismus seine eigene Grundlage. Willkommen in der Null-Grenzkosten-Gesellschaft!

 

Das Internet der Dinge, die Vernetzung und eine neue Generation von Unternehmern

Vorboten dieses epochalen Umbruchs sind längst Realität. Die Musikindustrie leidet unter der massenweise digitalen Verbreitung von Musikfiles, die Buchbranche klagt darüber, dass Autoren ihre Werke digital veröffentlichen und bewerben. In offenen Onlineseminaren nehmen Studenten auf der ganzen Welt kostenlos an Seminaren bei den renommiertesten Professoren der Welt teil. Die Reihe solcher »Nahezu-null-Grenzkosten-Phänomene« ließe sich schon heute beliebig verlängern. In der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts, davon ist Rifkin überzeugt, wird sie ein Großteil der heutigen profitablen Geschäftsmodelle umfassen.

Die Basis dieser neuen Art, Geschäfte zu machen, ist das Internet der Dinge, also die wachsende Vernetzung von allen und jedem und die Verschmelzung des Kommunikations- mit dem Energie- und Logistikinternet zu einer intelligenten Infrastruktur. So steuern auch die Städte der Zukunft, in denen Sensoren Gebäude überwachen oder über die Verfügbarkeit von Parkplätzen informieren, auf die Nullkostengrenze zu. Die Folge: Profite trocknen aus, Eigentumsrechte werden ausgehöhlt und eine auf Knappheit gegründete Ökonomie macht einer Wirtschaft des Überflusses Platz. Das alles müssen wir nicht fürchten, wir können uns darauf freuen, sagt Rifkin. Denn in Zukunft wird der Mensch – befreit vom Zwang, Profit zu erzielen – mehr Zeit für Kreativität und Innovationen haben, die dem Gemeinwohl nützen. Das individuelle Gewinnstreben wird abgelöst vom kollaborativen Produzieren von »Commons«, also von Gemeingütern, die allen gehören und zugänglich sind, seien es Musik, Bildung oder Transportmittel. Nach Rifkin wächst bereits jetzt eine neue Generation von Sozialunternehmer heran, denen das Teilen näher ist als das Besitzen.

 

Ein Buch, das mutig in die Zukunft blickt

Rifkins neuestes Werk ist ein mutiger, fast verwegener Blick in unsere Zukunft. Allen, die jetzt noch zweifeln, sagt der Visionär: „Hätte ich Ihnen vor 25 Jahren gesagt, dass man in einem Vierteljahrhundert das Wissen der ganzen Welt in einer Hand halten kann, Sie hätten ungläubig den Kopf geschüttelt.“ Auch damit hat er wohl recht.

 

Zur Person

Jeremy Rifkin ist einer der bekanntesten gesellschaftlichen Vordenker. Zahlreiche Regierungen haben ihn als Berater konsultiert, seine Bücher sind internationale Bestseller. Jetzt prophezeit der Visionär den Untergang des Kapitalismus. Seine Deutung erhellt den Blick in die Zukunft.

 

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18.08.2014

Wirtschaft & Gesellschaft

Die Null-Grenzkosten-Gesellschaft
Die Null-Grenzkosten-Gesellschaft
Hardcover gebunden
27,00 € inkl. Mwst.