Wirtschaft und Gesellschaft

»Hier in den USA verstärkt sich der Eindruck, in zwei unterschiedlichen Ländern zu leben.«

Arlie Russell Hochschild reiste ins Herz der amerikanischen Rechten, nach Louisiana, und suchte fünf Jahre lang das Gespräch mit ihren Landsleuten. Ihr Buch »Fremd in ihrem Land« erzählt von dieser fantastischen Reise.

Frau Hochschild, warum haben Sie dieses Buch geschrieben?

Arlie Russell Hochschild: Hier in den Vereinigten Staaten verstärkt sich der Eindruck, in zwei unterschiedlichen Ländern zu leben. Ich wollte Zeit mit Leuten verbringen, die politisch so weit wie möglich von mir entfernt sind – um zu versuchen, sie zu verstehen.

 

Warum haben Sie das Bayou Country im Bundesstaat Louisiana für Ihre Studie ausgewählt?

Arlie Russell Hochschild: Weiße in den USA haben sich insgesamt nach rechts bewegt, aber die Weißen aus dem Süden in signifikant höherer Zahl. Das trifft besonders auf die ländlichen Teile Louisianas zu.

 

Was sind die größten Missverständnisse zwischen Progressiv-Liberalen und Konservativ-Rechten?

Arlie Russell Hochschild: Das Mantra der Liberalen lautet, Trump-Unterstützer seien von wirtschaftlichen Sorgen und rassistischen Vorurteilen getrieben. Das ist keine ganz falsche Einschätzung, aber es sind nur Teile eines größeren Mosaiks. Die Menschen fühlen sich übergangen und entfremdet.

 

Über eine Wahlkampfveranstaltung Trumps, zu der Sie mit einem Unterstützer fahren, schreiben Sie, dass »für Trumps Aufstieg optimale Voraussetzungen bestanden wie beim Zunder, bevor das Streichholz angezündet wird« – was meinen Sie damit?

Arlie Russell Hochschild: Ein Teil der brenzligen Situation ist ökonomisch begründet: Die Reallöhne wurden der Inflation angepasst und sanken in den letzten 45 Jahren für die ärmeren 20 Prozent der Einwohner drastisch. Ein anderer Teil ist ethnisch begründet: Die Leute sehen einen schwarzen Präsidenten, wohlhabende schwarze Sportler und Filmstars und die wachsende Anzahl von Latinos. Und ein großer Teil des Unmuts entspringt sozialen und emotionalen Eindrücken: Die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zur Ehe für alle, die sinkende Bedeutung von Religion, die Herabwürdigung ihrer Region. Das alles summiert sich zu dem, was ich »Anerkennungsdilemma« nenne. Mit seinem Versprechen, diese verlorene Ehre wiederherzustellen, hat Trump das Streichholz auf geniale Weise entzündet.

 

Glauben Sie, dass die Amerikaner wieder eine gemeinsame politische Basis finden werden?

Arlie Russell Hochschild: Ja, das hoffe ich. Aber wir müssen uns ernsthaft unterhalten und die unter den Teppich gekehrten Themen hervorholen – das wird nicht einfach.

 

Zur Person

Arlie Russell Hochschild ist eine der bedeutendsten Soziologinnen der Gegenwart und emeritierte Professorin an der University of California, Berkeley. »Strangers in Their Own Land« stand auf der Shortlist für den National Book Award 2016.

21.09.2017

Wirtschaft & Gesellschaft

Fremd in ihrem Land
Fremd in ihrem Land
Hardcover gebunden
29,95 € inkl. Mwst.