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»Ich plädiere dafür, immer die Herkunft und den Zweck von Daten mitzudenken.« Katharina Schüller

Katharina Schüller, Expertin für KI- und Datenkompetenz, stellt in ihrem Buch »Daten sind Macht« ein praxisnahes Tool- und Skillset vor. Sie verbindet persönliche Erfahrungen mit Beispielen aus der Arbeitswelt und lässt weitere Fachleute zu Wort kommen, die zeigen, wie datenkompetentes Handeln im Arbeits- und Führungsalltag gelingt. Im Interview mit campus.de spricht sie über ihr Buch und das passende Mindset für den Umgang mit datenbasierten Entscheidungen.

Wie können Daten und KI bei Entscheidungen im Alltag helfen?

Katharina Schüller: Daten und KI können uns helfen, Entscheidungen fundierter zu treffen. Das heißt nicht, dass sie Intuition ersetzen, sondern dass sie dabei helfen, Mythen und Glaubenssätze zu korrigieren. Dazu braucht es in erster Linie Daten, die für den jeweiligen Zweck, also die Fragestellung, geeignet sind. Denn aus Querschnittsdaten lassen sich keine Ursache-Wirkungs-Beziehungen ableiten; nicht repräsentative Stichproben führen zu Fehlschlüssen. Daten sprechen eben nicht für sich selbst, aber wenn man sie richtig erhebt und interpretiert, schaffen sie Transparenz und ermöglichen es, Entscheidungen sauber zu begründen, nachzuvollziehen und ggf. auch zu korrigieren.
Ein anderes Beispiel ist die Personalisierung im Alltag, etwa beim Lernen oder in digitalen Assistenzsystemen. KI kann erkennen, wann jemand überfordert ist, oder welche Lernformate besser funktionieren. Entscheidend ist, dass solche Systeme nicht wie Autopiloten „über uns bestimmen“, sondern uns in der Entscheidungsfindung unterstützen. Der Mensch muss entscheidungsfähig bleiben, was der Begriff „Human in the Loop“ ausdrückt.

 

Gibt es dabei Red Flags zu beachten?

Katharina Schüller: Unbedingt. Eine der zentralen Botschaften meines Buches ist: Daten sind nie neutral. Sie entstehen in bestimmten Kontexten, mit bestimmten Interessen.Wenn wir diese Tatsache ignorieren, treffen wir Entscheidungen auf einer schiefen Grundlage.
Ein klassischer Fehler ist, algorithmischen Vorhersagen zu viel zuzutrauen, etwa wenn historische Daten bestehende Vorurteile fortschreiben und dadurch Menschen benachteiligen. Ein anderes Risiko liegt in irreführenden Darstellungen: Prozentzahlen oder Grafiken ohne Kontext können eine falsche Sicherheit erzeugen.
Darum plädiere ich dafür, immer die Herkunft und den Zweck von Daten mitzudenken: Wofür wurden sie erhoben, was messen sie, was blenden sie aus und wem nützt ihre Interpretation? Nur dann können KI-gestützte Entscheidungen wirklich kontextgerecht sein.

 

Viele Menschen sind verwirrt ob der vielen, scheinbar täglich neuen Möglichkeiten, die Ihnen die generative KI bietet. Können Sie mit Ihrem Buch Licht ins Dunkel bringen?

Katharina Schüller: Eine Übersicht darüber, welches KI-Tool sich für welchen Zweck eignet, findet man schnell im Internet – und jeden Tag kommt etwas Neues hinzu. Im Grunde geht es aber nicht um die unzähligen Varianten solcher Werkzeuge, sondern um ein Verständnis dafür, warum KI eben nicht wie ein Mensch »denkt« und welche Möglichkeiten, aber auch Einschränkungen sich daraus ergeben. Wir erleben derzeit einen enormen Hype, und viele Menschen schwanken zwischen Faszination und Überforderung. Mein Buch soll es helfen, diese Ambivalenz einzuordnen, indem es erklärt, was KI aufgrund ihrer »Bauweise« kann, was sie nicht kann, und wie wir selbst kompetent damit umgehen können.
Ich plädiere für digitale Risikokompetenz statt Angst oder Euphorie. Das bedeutet: verstehen, wie generative KI funktioniert, wo ihre Grenzen liegen und wie man Ergebnisse kritisch prüft. Dazu gehören auch ganz praktische Ansätze – etwa, KI in sicheren Umgebungen auszuprobieren, Regeln für den Umgang im Team zu schaffen und kontinuierlich voneinander zu lernen.
Man muss verstehen, was hinter der Oberfläche passiert, um nicht länger passiver Nutzer, sondern aktiver Gestalter zu sein. In diesem Sinne möchte mein Buch Orientierung bieten: keine technischen Handlungsanweisungen, sondern einen klaren Kompass im Datendschungel.

 

Was ist entscheidend, wenn ich mein Team als Führungskraft für die zukünftige Arbeitswelt fit machen möchte? Geben zu viele Führungskräfte dem Thema noch zu wenig Raum?

Katharina Schüller: Viele Führungskräfte wissen, dass Daten und KI wichtig sind, aber sie behandeln das Thema noch zu oft als reines IT-Projekt. Dabei übersehen sie, wie wichtig Motivation, Kommunikation und Vertrauen für den Erfolg von KI-Projekten sind.

Wenn KI in Teams eingeführt wird, verändert das nicht nur Arbeitsprozesse, sondern auch Selbstverständnis und Verantwortung. Die Angst davor, durch die KI ersetzt zu werden, und das damit einhergehende sinkende Vertrauen in die Technologie sind vollkommen menschlich und müssen zwingend ernstgenommen werden. Deshalb braucht es Führung, die psychologische Sicherheit schafft: Räume, in denen man Fragen stellen, Fehler machen und gemeinsam lernen darf.

Ich betone im Buch, dass Data & AI Literacy nicht allein in der Technikabteilung verortet werden darf. Sie muss flächendeckend vermittelt werden – vom Vorstand bis zur Auszubildenden. Nur wenn alle verstehen, wie KI funktioniert, wo sie Grenzen hat und wie man sie ethisch nutzt, entsteht Vertrauen.

Führung in der Zukunft bedeutet also, drei Dinge zu fördern:

  1. Toolset – die richtigen Werkzeuge bereitstellen, sicher und nachvollziehbar.
  2. Skillset – Kompetenzen und Verständnis aufbauen.
  3. Mindset – Offenheit, Neugier und Mut zum Ausprobieren fördern.

Und ja, viele Führungskräfte geben diesem Thema noch zu wenig Raum. Dabei ist genau das ihre eigentliche Gestaltungsaufgabe: eine lernende, verantwortungsbewusste Organisation zu schaffen, in der Menschen und Maschinen gemeinsam wirken und nicht für sich alleine oder im Wettbewerb zueinander.

 

Gab es auch für Sie überraschende neue Erkenntnisse im Rahmen des Buches?

Katharina Schüller: Ja, einige. Besonders beeindruckend ist für mich immer wieder aufs Neue die Erkenntnis, dass »mehr Daten« nicht automatisch zu besseren Entscheidungen führen. Im Gegenteil. Manchmal ist eine einzelne, aktuelle Information aussagekräftiger als Millionen veralteter Datensätze. Dieses Paradox zeigt sich etwa in den Fehlprognosen großer Datenprojekte wie Google Flu Trends.
Ebenfalls überraschend war für mich das Feedback der zahlreichen Fach- und Führungskräfte, die ich für mein Buch interviewt habe. Durch die vielen Gespräche zog sich vor allem eine Frage wie ein roter Faden: Wie kann Vertrauen in die Technologie und KI nachhaltig geschaffen werden? Dass diese Frage in den Köpfen meiner Gesprächspartner so präsent ist, zeigt mir, dass meine Beobachtungen von vielen Experten geteilt werden.
 

aPersönlich habe ich erfahren, wie stark Datenkompetenz auch Kommunikationskompetenz ist. Im Lauf meiner fast 25-jährigen Erfahrung als Beraterin im Kontext von Wirtschaft, Politik, Verwaltung und Wissenschaft habe ich gelernt, wie wichtig es ist, Erkenntnisse so zu vermitteln, dass sie verstanden, nicht verzerrt werden. Das ist vielleicht die wichtigste Lehre: Daten sind kein Selbstzweck – sie brauchen Kontext, Dialog und Menschen, die Verantwortung für die auf ihrer Grundlage getroffenen Entscheidungen übernehmen.

 

19.11.2025

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Daten sind Macht
Daten sind Macht
Hardcover gebunden
35,00 € inkl. Mwst.