Wirtschaft und Gesellschaft

Radikale Innovationen gestalten die Autobranche völlig um

»Autopapst« Ferdinand Dudenhöffer im Interview über sein neues Buch »Wer kriegt die Kurve?« und über die revolutionäre Zeitenwende in der Autoindustrie.

Seit 130 Jahren bewegen wir uns motorisiert. Und wirtschaftlicher Aufschwung ist nicht selten mit der Autoindustrie verknüpft. In den nächsten fünf Jahren wird sich die Autoindustrie stärker verändern als in den 50 Jahren zuvor. Was löst diese fundamentale Veränderung vor allem aus?

Ferdinand Dudenhöffer: Es sind drei radikale Innovationen – disruptive Innovations, wie die Amerikaner Innovationen bezeichnen, die Branche völlig umgestalten. Wenn man so will wird kein Stein auf dem anderen bleiben. Erstens, das rein elektrische Fahren. Bei den Autobauern sind mehr als 25 Prozent der Wertschöpfung – und damit viele Arbeitsplätze- von der Motoren- und Getriebeproduktion abhängig. Die braucht man für Elektroautos sicher nicht in der Form. Zweitens, das vollautomatisierte Fahren , wenn sie so wollen das Roboterauto. Drittens die Sharing Economy und jetzt sprechen wir über UBER, Dixi Chuxing, aber auch Apple und andere. Der Besitz des Autos wird langweilig, die Nutzung spannend, einfach und um Lichtjahre effizienter. Morgen können also Autobauer auch zu Zulieferern werden, so wie heute Bosch oder Conti, wenn sie nicht die richtigen Weichen stellen.     

Und was sind die Konsequenzen?

FD: Wir müssen uns Gedanken machen über den Automobilstandort Deutschland. In Deutschland werden weltweit knapp 3 Prozent aller Neuwagen verkauft. Die Autoindustrie braucht also Deutschland nicht, aber umkehrt gilt das sehr wohl. Wir müssen uns in Deutschland mehr engagieren, um etwa Elektromobilität auf die Straße zu bringen. Die Kanzlerin hat vor acht Jahren versprochen sich darum zu kümmern und bis 2020 eine Million Elektroautos auf deutschen Straßen zu haben. Aber sie lässt es einfach nur desinteressiert laufen. Wir sind am Tabellenende in Deutschland.  

Das Auto ist das technische Zentralobjekt der Moderne, hat Peter Sloterdijk einst gesagt. Wird es in Zukunft diesen zentralen Stellenwert behalten können?

FD: Es wird diesen Stellenwert ausbauen. Die Verlierer sind etwa die Pannenbahn: Zu komplex, zu unbeweglich, zu teuer. Robotertaxen werden der Bahn Kunden stehlen während das Auto  seine Transformation im neuen Zeitalter mit der künstlichen Intelligenz stärkt. Es wird – wenn man Sloterdijks Sprachgebrauch nehmen will – zum Zentralobjekt des Zeitalters der künstlichen Intelligenz.   

Was müssen die traditionellen Autohersteller und Zulieferer verändern, um nicht von den neuen Anbietern der Internetindustrie (Apple, Tesla, Uber) überrollt zu werden?

FD: Es müssen simultan alle drei Mega-Baustellen beackert werden: Elektroauto, intelligentes Auto und Sharing Economy. Einige wie Daimler, BMW, General Motors machen das heute schon. Der VW-Konzern hat sich unter seinem neuen Vorstandsvorsitzenden Matthias Müller radikal geändert. Vielleicht war Dieselgate der größte Glücksfall für den VW-Konzern, denn damit wurde die alte verknöcherte Garde abgelöst und ein neues Zeitalter heraufbeschworen, das den Konzern zukunftssicher machen kann.

Ihre Prognose: Hat Deutschland eine Chance, die Kurve zu kriegen?

FD: Lassen Sie mich den früheren Henkel-Chef und heutigen Adidas-Chef Kaspar Rorsted sinngemäß zitieren. Wenn sich unsere Kanzlerin um die A-Probleme kümmert, also unsere Infrastruktur, die Energiewende, die Elektromobilität, die Straßen und IT-Infrastruktur und nicht mehr mit C-Probleme wie Griechenland ihre Zeit blockiert, haben wir eine Chance. Wenn es weitergeht wie bisher geht Deutschland ein großes Risiko ein, die Zukunft aufs Spiel zu setzen. Sicher ist, die Unternehmen wie BMW, Daimler oder VW werden es schaffen. Die Frage ist wohin wandern die Arbeitsplätze. Permanente Krisengipfel um C-Problem rauben die Zeit, um sich auf die Infrastruktur der Zukunft zu fokussieren.        


Ferdinand Dudenhöffer

 

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15.09.2016

Wirtschaft & Gesellschaft

Wer kriegt die Kurve?
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