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»Das Familienunter­nehmen ist alles andere als ein Auslaufmodell.«

Professor Rainer Kirchdörfer, Vorstand der Stiftung Familienunternehmen, im Gespräch über die Zukunft von Familienunternehmen und die Herausforderungen in der Gegenwart.

In Ihrem Buch »Die Familie und ihr Unternehmen« richten Sie den Blick nach vorn: Was sind die Hauptproblemfelder im Familienunternehmen der Zukunft?

Rainer Kirchdörfer: Bei Familienunternehmen stehen je nach Branche, Unternehmensgröße und Unternehmensgeneration unterschiedliche Fragen im Vordergrund. Es gibt »klassische« Herausforderungen und es gibt solche, die sich mit der Zeit ändern. Die Felder Unternehmensnachfolge und Konflikte in der Unternehmerfamilie sind solche Klassiker. Das Gebiet der Finanzierung ist ebenfalls schon seit vielen Jahrzehnten Gegenstand problemorientierter Familienunternehmensforschung.

In den letzten Jahren wichtiger geworden sind Internationalisierung, Unternehmensstruktur und Unternehmensstrategie ­­- alles immer auch mit Blickrichtung auf die Familie. Besondere Herausforderungen ergeben sich durch die Revolution der Informationstechnologie, die Demografie und den Wertewandel in der Gesellschaft.

Auch die Führungsrolle der großen Konzerne für Deutschlands Wirtschaft ist im Wandel begriffen und richtet sich immer weniger an der nationalen Volkswirtschaft als an Erfordernissen der anonymen und international verstreuten Eigentümer aus. Für die Familienunternehmen, die als Zulieferer im Windschatten der Großkonzerne agieren, könnten sich etablierte Geschäftsbeziehungen radikal ändern.

 

Sie beschreiben das Familienunternehmen als »Königsklasse des Unternehmertums« – warum?

Rainer Kirchdörfer: Der Wert der Familienunternehmen wurde im Zuge der globalen Finanzkrise und der europäischen Staatsschuldenkrise deutlicher als je zuvor. Die Schäden, die aus unverantwortlichem Wirtschaften entstanden sind, haben gewaltige Ausmaße angenommen. Familienunternehmen stehen mit ihrer klaren Einheit von Risiko, Kontrolle und Haftung für ein anderes, ein solideres und nachhaltigeres, Wirtschaften. Nicht das Quartalsergebnis für die Börse zählt oder der Vierjahresturnus von Wahlen, sondern das Denken in Generationen ist maßgeblich. Deshalb halte ich den Begriff der »Königsklasse« für angemessen. In Deutschland standen gerade die großen Familienunternehmen während der zurückliegenden Krisen wie ein Fels in der Brandung: Sie hielten an ihrer Belegschaft fest beziehungsweise bauten sie sogar aus, während die Nicht-Familienunternehmen im Dax ihr Personal reduzierten.

 

Streit in der Familie = Streit im Unternehmen?

Rainer Kirchdörfer: Im Gegensatz zum Unternehmen ist die Familie kein rationales Gebilde. Kaum etwas ist hier planbar, nichts berechenbar. Emotionen bestimmen das Miteinander. Der Zusammenprall dieser beiden unterschiedlichen Welten, oder – wie die Psychologen sagen – Systeme, Unternehmen und Familie kann zu Dissonanzen führen. Streitursachen können etwa sein, dass Familienmitglieder in Bezug auf das Unternehmen verschiedene und nicht miteinander zu vereinbarende Zielsetzungen haben. Oder aber ein oder mehrere Familienmitglieder fühlen sich in Gegenwart oder Vergangenheit ungerecht behandelt. Der bekannte Streit in der Familie Tönnies ist hierfür symptomatisch. Bisweilen gibt es Missverständnisse infolge unzureichender Informationen. Vorgebeugt werden kann beispielsweise durch die Erstellung einer Familienverfassung und durch regelmäßige Information der Familienmitglieder und der Gesellschafter über Entwicklungen im Unternehmen.

 

International agierende Familienunternehmen bewegen sich in unterschiedlichen Rechtsräumen. Worin liegt die größte Herausforderung dabei?

Rainer Kirchdörfer: Es ist richtig, dass auch Familienunternehmen trotz regionaler Bindung an ihre deutschen Standorte große Teile ihrer Wertschöpfung mittlerweile im Ausland haben. Aus vormals nur exportierenden Unternehmen sind echte internationale Organisationen entstanden, mit erheblich gestiegenen Anforderungen an rechtliche, steuerliche und strukturelle Optimierung.

Ein lange Zeit unterschätztes Feld ist aber die Internationalisierung der Unternehmerfamilie: Manche Familienmitglieder heiraten ausländische Staatsangehörige, andere schließen die Ehe im Ausland, man lebt im Ausland oder gründet und führt Unternehmen dort. Bei Unternehmerfamilien mit internationalen Bezügen kann sich das zuvor beschriebene Konfliktpotenzial erhöhen, zumindest erhöht sich die Komplexität, mit der Folge, dass sich die Unternehmens- und Familienführung noch stärker auf Fehlervermeidung fokussieren muss. Irrtümer über etwa ausländisches Ehegüterrecht oder das ausländische Scheidungsrecht können teuer werden.

 

Familienunternehmen - wird es solche in Zukunft überhaupt noch geben?

Rainer Kirchdörfer: Das Familienunternehmen ist bei uns alles andere als ein Auslaufmodell. Die alte These, dass sich Familienunternehmen zwangsläufig zu börsennotierten Firmen im Streubesitz entwickeln müssten, hat sich als falsch erwiesen. Vielmehr hat sich gerade im Verlauf der Finanz- und Wirtschaftskrise gezeigt, dass Familienunternehmen dem anonymen Eigentum in Sachen Nachhaltigkeit und Stabilität überlegen sind. Und: Familienunternehmen sind die »Urform des Wirtschaftens«. Das Wort Ökonomie hat seine Wurzel im griechischen Ausdruck »oikos«, der Haushalt, bedeutet also die Lehre des »guten Haushaltens«. Nicht mehr und nicht weniger ist der Anspruch der Familienunternehmen.

 

Was unterscheidet Ihr Buch »Die Familie und ihr Unternehmen« von anderen Lehrbüchern zu Familienunternehmen?

Rainer Kirchdörfer: Zunächst die Tatsache, dass wir überhaupt kein Lehrbuch schreiben wollten. Ziel war vielmehr, eine interessant lesbare Mischung aus Erfahrungsberichten, Fallsammlungen, Hinweisen und Tipps zu praktischen Gestaltungen abzuliefern. Und dies alles mit einem wissenschaftlichen Anspruch. Deshalb ist unser Buch auch ein Lesebuch. Man kann es entweder von Anfang bis Ende durchlesen oder auch nur einzelne Kapitel schmökern. Wenn der Unternehmer oder der Praktiker trotzdem etwas aus unserem Buch lernen kann, dann freut uns das natürlich besonders.

 

Rainer Kirchdörfer ist Rechtsanwalt und Partner der Kanzlei Hennerkes, Kirchdörfer & Lorz. Er ist Vorstand der Stiftung Familienunternehmen

Brun-Hagen Hennerkes ist Rechtsanwalt und seit 30 Jahren führender Experte bei der Beratung von Familienunternehmen in Europa. Er ist Vorsitzender von zahlreichen Kontrollgremien bedeutender Familienunternehmen. An der Universität Stuttgart lehrt er Unternehmenssteuerrecht.

 

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10.06.2015

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Die Familie und ihr Unternehmen
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