Was verstehen Sie unter einem »aktiven Investor«?
Fuchs/Pümpin: Ein »aktiver Investor« nimmt sein Schicksal in die eigene Hand; er hat in seiner bisherigen Berufskarriere viel gelernt und gemacht. Nun will er mit einer Investition in ein Unternehmen zusätzlich etwas kreieren, und er will für seine Mühen und seine Risiken mit einem signifikanten Vermögenszuwachs belohnt werden. Der aktive Investor – so wie wir ihn definieren – strebt eine Vervielfachung seines eingesetzten Vermögens mit einem Faktor zwischen fünf und zehn an.
Damit das nicht traumtänzerisch oder spekulativ bleibt, sagen wir, dass der aktive Investor nur reüssieren kann, wenn er geschickt und mit großer Zielstrebigkeit seine ganzen Stärken, namentlich sein Netzwerk und sein fachliches Können, einsetzt. Diese Stärken müssen natürlich auch in einem relevanten Bereich, zum Beispiel einer lukrativen Marktnische, einsetzbar sein. Es muss ein genügend großer oder potentieller Markt mit ausreichend zahlungswilligen Kunden bestehen, die eine Multiplikation des Einsatzes überhaupt ermöglichen.
In Ihrem Buch »Vom Manager zum Investor« beschreiben Sie sieben Schritte, nach denen der aktive Investor vorgehen sollte. Welche Frage sollte er auf jeden Fall im Vorfeld für sich geklärt haben?
Fuchs/Pümpin: Das ist eine ausgezeichnete Frage! Bevor sich jemand entschließt, in privat gehaltene Firmen direkt zu investieren, muss er oder sie die zeitlichen und finanziellen Folgen für sich und das Umfeld wie Partner oder Familie einschätzen können. Wir hören immer nur von den guten, erfolgreichen Fällen. Die Fälle, wo Zeit, Geld und vor allem Beziehungen aufgrund von erfolglosen unternehmerischen Aktivitäten verloren gegangen sind, bleiben meistens unsichtbar.
Selbstüberschätzung, einhergehend mit Fehleinschätzungen des Investment Cases, können finanziellen Ruin, sozialen Abstieg und damit verbundene schwere persönliche Rückschläge auch im sozialen Umfeld zur Folge haben. Neben dem Fachwissen ist somit Ehrlichkeit mit sich selber und dem Umfeld zwingend notwendig.
Mal etwas ketzerisch gefragt: Lohnt es sich grundsätzlich, Investor zu werden oder ist der indirekte Weg über börsennotierte Anleihen und Aktien oder Anteile an einem Private-Equity-Fund nicht einfacher?
Fuchs/Pümpin: Einfacher schon – keine Frage. Ob lohnenswerter – hm? Wir definieren den aktiven Investor oder die aktive Investorin sehr stark über die Sehnsucht, die finanzielle Unabhängigkeit zu erlangen. Aber es geht dabei nicht nur um den finanziellen Aspekt. Interviews haben gezeigt, dass Selbstbestimmung bis hin zu Selbstverwirklichung ebenso starke Treiber sein können. Wir halten stark an der objektiven, finanziellen Komponente fest, aber uns geht es sowohl persönlich als auch für unsere Leser um das unternehmerische Wirken, um das Kreieren und Weiterentwickeln.
Anders gesagt: Das eine ist die finanzielle Komponente, und hier mag das Mitlaufen in der Herde für Viele das Richtige sein. Es ist gewissermaßen kalkulierbar, und man vertraut dem Bankmanager, dem Asset-Manager und dem Investmentmanager, den man im Allgemeinen nicht kennt. Der aktive Investor tickt anders: Er bricht aus der Herde heraus und sieht neues Land, das er erkunden und besitzen will.
Wie wir im Buch auch erläutern, ist es wichtig, dass gerade Investoren, die von einem laufenden Einkommen abhängen, ein ausreichendes Sicherheits- sowie ein Diversifikationsportfolio haben. Mit anderen Worten: Der kluge aktive Investor geht seinen eigenen Weg, lässt aber die Herde nicht ganz aus dem Blickfeld. Außerhalb von der Herde zu stehen, ist schon von der Aussicht her belohnend.
Sie sind davon überzeugt, dass unternehmerisches Investieren, wie Sie es propagieren, beträchtliche persönliche, finanzielle und volkswirtschaftliche Werte schaffen kann. Welche Risiken sollte man dennoch im Auge behalten?
Fuchs/Pümpin: Wie Sie richtig feststellen, birgt unternehmerisches Wirken viele Risiken und braucht einen außerordentlichen effort von allen Beteiligten, um Erfolg zu haben. Die wirklich süßen Früchte hängen nun einmal nicht ganz unten am Baum – und wenn doch, ist es wahrscheinlich, dass schon jemand vor Ihnen dort war und geerntet hat. Wir sind der Meinung – und die Lebenserfahrung hat das auch gezeigt –, dass es zuerst einmal eine außerordentliche Leistungsbereitschaft und den Willen zum Erfolg braucht. Menschen, die wir im Buch ansprechen, haben das bereits mehrfach in ihrer Karriere bewiesen. Wir sagen: Das größte Risiko ist der aktive Investor selber, nämlich dann, wenn er nicht richtig vorbereitet ist und das aktive Investieren als Hobby sieht. Wenn er sich dessen bewusst ist, dann hat er schon viel im Sinne von Risikovermeidung getan.
Zurück zu den süßen Früchten: Natürlich gibt es die Fälle, bei denen Sie eine gute Idee haben und mit Leichtigkeit umsetzen können und so schnell Bekanntheit und Reichtum erlangen. Es kann aber auch sein, dass Sie Ihren Fuß in Nachbars Garten gesetzt haben und dieser Sie – berechtigt oder unberechtigt – etwa wegen einer Patentverletzung oder unlauteren Wettbewerbs versucht, frühzeitig zu Fall zu bringen. Hier sprechen wir also rechtliche wie finanzielle Risiken an, die Ihre Reise als aktiver Investor zu einem frühen Ende bringen können. Und auch hier ist gute Vorbereitung in Form von Abklärung, aber auch Siegeswillen beim Auftreten von Problemen Voraussetzung zum Erfolg.
Welche Rolle spielt das Thema Corporate Governance in Ihrem Buch?
Fuchs/Pümpin: Corporate Governance ist ein absolut zentrales Thema. Der aktive Investor ist per Definition zu einem gewissen Grad »Master seines vermögenstechnischen Schicksals«. Hier kommt nochmals der Unterschied zu Investition in börsennotierte Unternehmen oder in Private Equity Funds zum Tragen. Der aktive Investor kreiert die Regeln der Corporate Governance mit und ist nah dabei, um sicherzustellen, dass sie auch eingehalten und vor allem nicht zu seinem Nachteil umgesetzt werden. Der erfahrene aktive Investor macht die Corporate Governance zu seinem Freund. Der weniger erfahrene Investor muss entsprechend sicherstellen, dass er auf der richtigen Seite steht.
Wie erkenne ich ein für mich als aktiven Investor gutes Investment?
Fuchs/Pümpin: Verstehe ich es?
Das heißt, kann ich nachvollziehen, wie mein Geld arbeitet und als ein Mehrfaches zu mir zurückkommen wird? Verstehe ich die Risiken, die Annahmen, die vermeintlichen »Gewissheiten« im Investment Case? Welche könnten sich als falsch herausstellen und was sind die Folgen? Wenn ich diese Fragen nicht beantworten kann, dann akzeptiere ich nämlich Risiken, die ein aktiver Investor nicht akzeptieren darf – unabhängig, ob das Investment objektiv gesehen gut ist oder nicht. Ist die Antwort »ja«, können wir zum zweiten Schritt gehen.
Kann ich mit meinen Stärken, Ideen und meiner zur Verfügung stehenden Ressourcen einen oder mehrere Wertsprünge realisieren? Oder zumindest einen signifikanten Mehrwert schaffen? Die Definition von Wertsprüngen ist, dass spezifische Ereignisse oder Entwicklungen in einem relativ kurzen Zeitabschnitt zu signifikanten, mitunter sprunghaften Veränderungen des Unternehmenswerts führen können. Ein typisches Beispiel ist eine erfolgreiche Patentanmeldung oder Zulassung bei einem Pharmaunternehmen oder ein Großauftrag von einem Global Player. Ist die Antwort »ja«, dann ist es möglicherweise ein gutes Investment für mich, bei dem sich mein Zeitaufwand und das Einbringen meines knappen Geldes lohnen könnte. Das führt uns zum dritten Punkt.
Der Blick über den Business-Plan und über das eindimensionale »Geldverdienen« hinaus und zur Frage, wer die Leute sind, denen ich mein Geld, meine Zeit, meine Ideen und meine Begeisterung anvertraue? Was sind deren Motivationen, Geschichten auf ihrem Lebensweg? Was haben sie Gutes geschaffen, wo haben sie Zwist und Chaos hinterlassen? Natürlich lässt sich hier kein vollständiges, objektives Bild erarbeiten, und Informationen bleiben fragmentiert. Hier lohnt es sich aber sehr, kritisch zu sein. Ein aktives Investment und die involvierten Leute lassen sich nicht einfach so schnell wie eine börsennotierte Aktie auswechseln.
IQ-Conference zu Eigentümerstrategien:
Marius Fuchs und Cuno Pümpin referieren am 11. Mai 2017 an der 1. IQ-Conference zu Eigentümerstrategien im Benediktinerkloster Engelberg (Zentralschweiz). Die Konferenz, »Zufälligkeiten des Erfolgs – und wie man sie provoziert«, richtet sich an Unternehmer, Investoren, Eigentümer von Firmenbeteiligungen und geht insbesondere der Frage nach, wie Wertsprünge bei privat gehaltenen Unternehmen ermöglicht werden können.
Weitere Informationen und Anmeldung unter www.qic.ch/iq.
Die Autoren
Cuno Pümpin, Prof. emer. Dr. oec. HSG, ist Unternehmer, Wirtschaftsprofessor und Investor. Er war über 20 Jahre als Professor für Strategie & Management an der Universität St. Gallen (HSG) tätig und blickt auf über 50 Jahre aktive Investitionserfahrung zurück.
Marius Fuchs, Dr. oec. HSG & dipl. Wirtschaftsprüfer, ist als Investor, Verwaltungsrat, Turnaroundmanager sowie als Geschäftsführer ad interim in Unternehmen tätig.
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