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Leben

Der Krieg und die Lieben. Krisenkommunikation in Corona-Zeiten. Von Peter Modler

Peter Modler analysiert in seinem Buch, »Mit Ignoranten sprechen«, Situationen in Politik und Unternehmenswelt, in denen die Machtspieler die Oberhand haben. In Zeiten der Corona-Pandemie hat der renommierte Coach und Bestsellerautor die Krisenkommunikation von Macron und Merkel unter die Lupe genommen - aus der man für den eigenen Ausdruck einiges lernen kann.

Als Emanuel Macron wegen Corona einschneidende Maßnahmen verkündet, sitzt er vor dem üblichen französischen Präsidialdekor: die Flagge Frankreichs, die der EU und viel vergoldete Stilmöbel des Elysée-Palastes. Sein Anzug ist, man kann es nicht anders sagen, erstklassig.

In seiner Ansprache fällt immer wieder auf, wie oft er feststellt, dass »wir im Krieg« seien. Allerdings sagt er es sehr schnell und seine Haltung drückt Ungeduld aus. Laufend macht er kleine Kopfbewegungen und seine Schultern schaukeln hin und her. Wenn er emotionaler wird, bewegt sich der ganze Rumpf zu den Seiten und vor und zurück. Hin und wieder rasche Handbewegungen. Manchmal hält er den Kopf fast schon kokett schief und lächelt leicht ironisch. Am Schluss verkündet er: »Wir werden siegen.« Glaubt man ihm das? Nun.

Als Angela Merkel zu genau denselben Themen spricht wie Macron, sitzt auch sie – aber vor einem großen Fenster. Im Hintergrund ist der Reichstag in der Sonne zu sehen. Ein geradezu luftiges Ambiente. Sie hat wieder eines ihrer unauffällig-gepflegten Oberteile an und spricht deutlich ruhiger. Ihre Schultern bleiben völlig unbewegt bis hinunter zu den Unterarmen. Der Gipfel an Leidenschaft ist das minimale Auf- und Zumachen der Hände mit gespreizten Fingern. Bei Informationen redet auch sie schnell, aber bei den Aussagen, die ihr wichtig sind, wird sie langsam und macht Pausen. Ihre Schlussbotschaft ist eindeutig zivil: »Passen Sie gut auf sich und auf Ihre Liebsten auf«, erst dann kommt ein angedeutetes Lächeln.

Wem glauben wir und warum? In meinem Buch »Mit Ignoranten sprechen« geht es genau um diese Fragen. Ich würde sagen: wir glauben denjenigen, die alle Kommunikationssysteme erreichen. Die amerikanische Sozioloinguistik hat schon vor Jahrzehnten zwei große Sprachsysteme entdeckt, ein horizontales und ein vertikales. Das horizontale setzt auf Zugehörigkeitsbotschaften und Inhalte, das vertikale auf Rang- und Revierklärungen, bevor es inhaltlich wird. Diese beiden Systeme treten natürlich auch in der Krisenkommunikation zu Corona auf. Dabei gilt eine elementare Regel, die Merkel offensichtlich verstanden hat, aber Macron nicht: wenn Du zu schnell redest und Dich zu schnell bewegst, glauben Dir die Vertikalen kein Wort mehr! Und andererseits: wenn Du Informationen gibst, aber keine Zugehörigkeitsbotschaften, dann nehmen Dir auch die Horizontalen nichts mehr ab.

Und so setzt sich Macron kommunikativ zwischen alle Stühle. Während Merkel beide Lager abdeckt. Ihr glaubt man dann. Ihm eher nicht.

 

Zum Autor

Peter Modler betreibt seit 1998 in Freiburg i. Br. eine eigene Unternehmensberatung mit Schwerpunkt Firmensanierungen und Coaching. Über 2000 Führungskräfte haben an seinen Workshops und Trainings teilgenommen. Bekannt geworden ist er als Erfinder des »Arroganz-Trainings® für führende Frauen«. Zuletzt erschien von ihm »Die freundliche Feindin« (2017).

 

 

02.04.2020

Leben

Mit Ignoranten sprechen
Mit Ignoranten sprechen
kartoniert
22,00 € inkl. Mwst.