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Wirtschaft und Gesellschaft

»Die Geschichten, die wir offenlegen, können Karrieren zerstören.«

Joerg Bartussek und Oliver Weyergraf zeigen in ihrem neuen Buch »Mad Business«, was in den Führungsetagen der Konzerne wirklich abgeht. Ein Interview.

Ihr Buch »Mad Business« ist ein erstaunliches Zeugnis des unternehmerischen Wahnsinns. Die meisten Menschen wissen darüber nichts. Wie kommt das?

Die Führungsetagen der Großkonzerne sind ein dysfunktionaler Kosmos aus Menschen, die nicht unbedingt aufgrund ihres Könnens dorthin gelangt sind. Viele Topmanager sehen sich selbst als auserkorene Mitglieder eines höchst elitären Clubs. Nicht wenige sind mehr vom Ziel getrieben, selbst einen bestimmten »Status« zu erreichen, als den Erfolg ihres Unternehmens zu mehren. Dazu bauen sie fleißig an Mythen, die sich dann um die »heroischen Taten dieser Macher« ranken.

Mit jedem neuen Skandal, der an die Öffentlichkeit dringt, wackeln diese Mythen natürlich. Dennoch erhält man von außen nur ganz selten Einblick. Der Verdienst unseres Buchs ist, dass Dutzende Mitglieder dieses Zirkels erstmals völlig offen beschreiben, wie es dort wirklich zugeht: chaotisch, absurd und manchmal auch einfach verrückt – »Mad Business«.

 

Sie ermöglichen eine Innensicht in die Managementetage großer Unternehmen, an die man sonst niemals herankäme. Wie sind Sie an diese Informationen gelangt?

Wir waren ja selbst eine Zeit lang Teil dieser Welt. Unsere Quellen wussten, dass sie mit uns auf Augenhöhe sprechen konnten. Wir konnten auch klarmachen, dass es bei »Mad Business« nicht darum geht, einzelne Personen oder Firmen schlechtzureden. Wir wollten einfach verstehen, warum in diesen Organisationen, wo so viele kluge Menschen zusammenarbeiten, solch wahnsinnige Dinge passieren. Wahrscheinlich fragen sich unsere Gesprächspartner dasselbe und haben deswegen mit uns gesprochen.

 

Die »Zeugenaussagen« kommen aus den unterschiedlichsten Branchen – IT, Banken, Tourismus. Wie ist es Ihnen gelungen, eine so große Gruppe von Entscheidern dazu zu bewegen, endlich auszupacken?

Die ersten Treffen waren die schwierigsten, da spürte man eine gehörige Portion Skepsis. Wenn man so hoch auf der Karriereleiter gestiegen ist wie unsere Gesprächspartner, dann hat man gelernt, sehr, sehr vorsichtig zu sein. Sie müssen verstehen: Die Geschichten, die wir hier offenlegen, können Karrieren zerstören.

Unsere Ausgangshypothese war, dass sich der Wahnsinn durch alle Großkonzerne zieht, unabhängig von der Branche. Dazu mussten wir einen möglichst breiten Branchenquerschnitt haben – zehn sind es schließlich geworden, mit jeweils mindestens zwei Konzernen pro Branche. Mit der Zeit sprach sich unser Projekt herum und immer mehr Informanten kamen dazu. Wir verpflichteten uns juristisch dazu, die Identität unserer Gesprächspartner sorgfältig zu anonymisieren. Das hat natürlich geholfen. Im Gegensatz verpflichteten sie sich, nur von Gegebenheiten zu berichten, die sie selbst genau so erlebt hatten. Hörensagen hat uns nicht interessiert.

 

Ihr Buch wird aus der Sicht von »Paul Hecht«, einem fiktiven Topmanager, erzählt. Wie kamen Sie auf die Idee?

Wir hatten nun diesen Schatz mit Dutzenden von Insiderberichten deutschsprachiger Topmanager. »Paul Hecht« verdichtet diese Einzelaussagen in einer Figur. Er durchlebt, muss durchleben, wovon uns unsere Gesprächspartner so intensiv erzählten. Jeder, der einmal in einem Weltkonzern gearbeitet hat oder Verbindungen dorthin hat, wird Herrn »Hecht« wiedererkennen. Den gibt es wirklich, er heißt nur überall anders.

 

Professionelles Image nach außen, und innen weit verbreitete Strategielosigkeit. Wie können solche Unternehmen überhaupt erfolgreich sein?

Erfolg ist immer relativ. Manchmal reicht es, um erfolgreich zu sein, wenn man einfach nur etwas weniger schlecht ist als der Mitbewerb. Das kann durchaus eine Zeit lang gut gehen. Einige Großunternehmen sind wahre Meister darin, ihre Größenvorteile (die berühmten Economies of Scale) perfekt auszunutzen. Aber oft werden Trends und Innovationen einfach verschlafen oder intern zu Tode diskutiert.

Trotzdem sind Konzerne immer wieder sehr erfolgreich mit dem, was sie tun. Das ist umso erstaunlicher, als wir bei unseren Recherchen ja hörten, auf welch irrwitzigen Wegen in diesen Firmen Entscheidungen getroffen werden oder wie viel Aufwand getrieben wird, sie zu vereiteln, worüber da oft wochenlang nachgedacht wird und wer wen wie aussticht. Da fragt man sich in den Worten eines Topmanagers in »Mad Business« schon: »Je besser man den Betrieb kennt, umso mehr wundert man sich, dass bei uns überhaupt jemals ein Auto vom Band läuft!«

 

Ist »Mad Business« ein Plädoyer für mehr Transparenz?

»Mad Business« ist kein Plädoyer, das überlassen wir gern anderen. Wir ermöglichen erstmals einen Blick hinter die dicken Türen der Konzernzentralen. Das schafft natürlich Transparenz. Wenn es darum geht, was diese Unternehmen anders, besser machen könnten, wie sie gerade Ineffizienzen verhindern könnten, da spielt Transparenz bestimmt eine wesentliche Rolle. Je weniger im Geheimen geschieht, umso größer der Druck, mehr Vernunft und gesunden Menschenverstand walten zu lassen.

 

Nach Ihren Erkenntnissen über das Innenleben großer Unternehmen haben Sie sich selbstständig gemacht. Das ist kein Zufall, oder?

Nein, das ist kein Zufall! Für das Zusammenarbeiten mit den Paul Hechts dieser Welt muss man geboren sein. Und wir sind es wohl eher nicht ...

 

Die Autoren

Joerg Bartussek, geb. 1971, studierte Rechtswissenschaften und Journalistik an der Universität Graz sowie in Washington D.C., war viele Jahre als Manager für Großkonzerne in den Bereichen Beratung, Internet und Mobilfunk tätig und lebt heute als selbstständiger Unternehmer in Wien.

Oliver Weyergraf, geboren 1968, studierte Betriebswirtschaftslehre in Köln. Er führte als Geschäftsführer mehrere Internetunternehmen, war lange als Manager für internationale Konzerne tätig, leitet heute sein eigenes Unternehmen und lebt in Berlin.

 

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09.02.2015