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Drei Farben Armut

Drei neue Bücher von Campus beschäftigen sich mit den Themen Armut und soziale Ungerechtigkeit. Die Perspektiven könnten kaum unterschiedlicher sein.

Die Kluft zwischen Arm und Reich wird immer tiefer. Während das Vermögen der Wohlhabenden steigt, werden Geringverdiener und Arbeitslose zunehmend ins gesellschaftliche Abseits gedrängt. Ist die daraus resultierende wachsende soziale Spaltung kein Problem für die Gesellschaft? In seinem Buch »Soziale Ungleichheit. Kein Thema für die Eliten?« hat der Soziologe Michael Hartmann ein Sozialprofil der 1000 mächtigsten Deutschen erstellt und sie nach ihrer Meinung gefragt: Wie blicken Spitzenverdiener auf die zerklüftete Gesellschaft? Das alarmierende Ergebnis: Viele der Befragten aus Wirtschaft, Politik und Medien empfinden die herrschenden Verhältnisse als gerecht – und das umso mehr, wenn sie in großbürgerlichen Verhältnissen aufgewachsen sind. Zugespitzt formuliert: Wer oben steht, hat kein Problem mit den Nöten der Armen. Die Ergebnisse der im Oktober 2012 durchgeführten Befragung veranlassen den Autor zu einer eindringlichen Warnung: Wenn die Politik sich wie bisher immer stärker an den Interessen der Wirtschaft und an den reichen Deutschen orientiert, so Hartmann, wird das unsere Demokratie aushöhlen. Die Frage ist: Wie kann sich die Situation ändern, wenn die Mächtigen des Landes sie gar nicht als bedrohlich empfinden?

René Zeyer, Publizist und Wirtschaftsexperte aus der Schweiz, ist ebenfalls alarmiert, allerdings aus einem ganz anderen Grund. Für Zeyer ist klar: Armut und unser Umgang mit ihr führen uns in einen Teufelskreis. Staatlich organisierte Armutsbekämpfung hat uns in 400 Jahren zahlreiche unterschiedliche Ansätze beschert, die nur eines gemeinsam haben: Sie funktionieren nicht. Umverteilung und eine Armutsindustrie, die mehr schluckt als hilft, demotiviert die Armen, sich selbst aus ihrer Situation zu befreien, und schwächt zugleich die produktiven Mitglieder der Gesellschaft. Die Armutsbekämpfung, so der Autor, führe zu mehr Staatsverschuldung und so letztlich zu immer mehr Armut. In seinem Buch »Armut ist Diebstahl. Wie die Armen uns ruinieren« fordert Zeyer radikale Konsequenzen: Schluss mit der Unterstützung der Armen: Umverteilung drastisch reduzieren und die Armen – Stichworte Bildung und Selbstverantwortung – wieder strenger in die Pflicht nehmen. Zeyers Sicht der Dinge ist provokant und lädt dazu ein, ein altes Problem völlig neu zu denken.

Weniger streitbar, dafür aber ungewöhnlich ist der Ansatz von Sendhil Mullainathan und Eldar Shafir, den sie in ihrem Buch »Knappheit. Was es mit uns macht, wenn wir zu wenig haben« verfolgen. An der Schnittstelle von Psychologie und Ökonomie formulieren die Professoren aus Harvard und Princeton das »Prinzip der Knappheit«. Knappheit, so ihre These, beeinflusst unser Verhalten. Egal ob es sich um Geld, Lebensmittel oder soziale Kontakte handelt. Armut erzeugt Armut, darin stimmen die Autoren mit René Zeyer überein. Ihre Antwort auf die Frage, warum sich die Armen nicht selbst aus ihrer Situation befreien können, ist indes eine völlig andere. Mullainathan und Shafir sind überzeugt: Knappheit reduziert Denk- und Handlungsmöglichkeiten. Wer unter Knappheit leidet, hat den Kopf nicht frei. Die beiden Autoren werfen einen neuen, psychologischen Blick auf das Thema Armut. Und sie geben Denkanstöße, wie wir uns aus den Krallen gleich welcher Knappheit befreien können.

Armut hat unterschiedliche Ursachen und kann – wie die drei Bücher aus dem aktuellen Campus-Programm zeigen – auf sehr unterschiedlich Weise angegangen werden. Doch gleich, ob nüchtern, provokant oder empathisch: Hartmann, Zeyer, Mullainathan und Shafir erweitern die Debatte um drei neue, spannende Ansätze.

 

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22.10.2013