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»Glückliche und loyale Mitarbeiter bedeuten glückliche und loyale Kunden.«

Jürgen Schöntauf spricht über sein Buch »Sinnstifter« und zeigt, dass es sich tatsächlich lohnt, »die Welt zu retten«! Und dass Firmen, die Sinn stiften - für ihre Belegschaft und die Gesellschaft -, langfristig erfolgreicher sind.

Unternehmen profitieren davon, wenn sie soziale Verantwortung übernehmen, sagen Sie in Ihrem Buch »Sinnstifter«. Wie ist das konkret gemeint?

Jürgen Schöntauf: Viele Unternehmen wollen leider immer noch nicht wahrhaben, dass sich sinnstiftendes Verhalten und Gewinn erwirtschaften nicht automatisch ausschließen müssen. Dabei zeigen nicht nur die Beispiele in meinem Buch, dass sinnstiftendes Handeln dazu führt, das Unternehmen langfristig erfolgreicher werden als sie vorher je waren. Es gibt sogar mittlerweile erste Studien dazu, die genau das bestätigen. So gibt es eindeutig nachweisbare positive Effekte bei Unternehmen, die durch Umweltinnovationen Material und Energie einsparen. Noch deutlicher wird das aber bei Unternehmen, die Zeit und Energie in eine positive Unternehmens- und Wertekultur investieren. Glückliche und loyale Mitarbeiter bedeuten immer auch glückliche und loyale Kunden. Unternehmen müssen sich in Zukunft darüber bewusst werden, dass sie keine einsamen Inseln im weiten Ozean sind, sondern Bestandteil eines komplexen sozioökologischen Umfelds sind. Wenn sie dann diese Erkenntnis in ihre Unternehmensstrategie mit aufnehmen – und zwar nicht nur mal so nebenbei, sondern gleichberechtigt neben anderen strategischen Maßnahmen – werden sie für viele Menschen immer attraktiver werden. Und hier geht es ja nicht nur um Kunden, sondern auch um zukünftige qualifizierte Fachkräfte, die immer weniger werden, um Investoren, der Presse oder auch um hervorragende Lieferanten.

 

Nachhaltigkeit ist seit Jahren ein viel diskutiertes Thema. Haben Unternehmer ihre gesellschaftliche und ökologische Verantwortung in den letzten Jahren dennoch vernachlässigt?

Jürgen Schöntauf: Durch die vielen Diskussionen ist das Wort leider zu einem regelrechten Buzzword geworden. Was wird nicht alles als nachhaltig beschrieben? Die Frage ist ja letztendlich, was ich alles darunter verstehe. Wenn ein Unternehmen aus der Bekleidungsindustrie damit wirbt, ab sofort nur noch Bio-Baumwolle zu verwenden, dann ist das mit Sicherheit nachhaltig und ein wichtiger Imagefaktor in der Werbung. Werden die Kleider mit Bio-Baumwolle allerdings weiterhin in Bangladesch unter menschenunwürdigen und zum Teil lebensgefährlichen Umständen und sogar womöglich noch von Kindern gefertigt, ist das alles andere als nachhaltig. In die Betrachtung des Nachhaltigkeitsengagements muss eben auch mit einbezogen werden, in wie weit das Unternehmen zur Verbesserung der Lebenssituation in den Länder beiträgt, in denen es seine Produkte produzieren lässt. Übrigens steht ja auch bei VW die Nachhaltigkeit in deren Unternehmensphilosophie. Der Dieselskandal hat dann allerdings gezeigt, dass es eben doch nur ein netter Begriff ist, der sich gut in den Broschüren und auf der Website macht. Letztendlich kommt es immer darauf an, mit welchen konkreten Inhalten ein Begriff wie Nachhaltigkeit gefüllt wird.

 

Welchen Schritt muss der Unternehmer definitiv machen, um sich in einen Sinnstifter zu verwandeln?

Jürgen Schöntauf: Die Basis ist immer eine gut funktionierende und von allen im Unternehmen gelebte Unternehmens- und Wertekultur. Ohne diese beiden Punkte braucht ein Unternehmen über die anderen Steps gar nicht erst nachzudenken. Eine positive Unternehmenskultur und Werteorientierung sind die Basis für nachhaltigen und langfristigen Erfolg. Bei allen Sinnstiftern, die ich interviewt habe, waren diese zwei Themen eine große Selbstverständlichkeit. Beides beinhaltet automatisch Wertschätzung und diese führt zu besseren Beziehungen zu Mitarbeitern, Lieferanten, Investoren und Kunden. Mit Wertschätzung steigt die emotionale Bindung an das Unternehmen. Wertschätzung ist für mich gelebte soziale Verantwortung. Wenn ein Unternehmer nicht zu Empathie und Wertschätzung in der Lage ist oder sie nicht für wichtig erachtet, kann er trotzdem erfolgreich ein Unternehmen führen. Aber er wird immer weit unter dem bleiben, was möglich wäre.

 

Geht das Selbstverständnis des Sinnstifters auch mit einem grundsätzlichen Wandel im Bereich »Leadership« einher?

Jürgen Schöntauf: Mit Sicherheit. Das bisher geltende und teilweise noch gelebte hierarchische Top down Führungsmodell ist im Aussterben begriffen. Das hat aber auch generell mit den Herausforderungen der Arbeitswelt in den nächsten zehn, fünfzehn Jahren zu tun. Wir stecken mitten im Wandel von einer industriellen zu einer Kreativökonomie. Die Babyboomer, die bislang größte Arbeiterkohorte die Deutschland je hatte, werden in den nächsten zehn Jahren nach und nach aus dem Arbeitsleben ausscheiden. Und mit Ihnen so einige veraltete Ansichten über Arbeit und Führung. Die vielbesprochene Generation Y wird dagegen in den nächsten Jahren fast komplett das mittlere Management und auch Führungspositionen darüber hinaus besetzt haben. Sie sind grundsätzlich anders sozialisiert als es ihre Eltern und Großeltern es waren und bringen über diese Sozialisierung ganz stark kollaborative Arbeitsweisen und neue Wertevorstellungen in die Unternehmen. Dazu kommt, dass es in diesen Generationen viele hervorragend ausgebildete Frauen gibt. Das Problem mit der heute noch viel diskutierten Frauenquote wird sich in den nächsten Jahren von alleine erledigen. Die Wirtschaft kann es sich gar nicht leisten, auf die weiblichen Fachkräfte und Führungspersönlichkeiten zu verzichten. Schon jetzt schließen in vielen Studiengängen mehr Frauen als Männer ihr Studium erfolgreich ab. Das alles und noch einiges mehr – Stichwort Digitalisierung – erfordert neue Führungsmodelle. Wir können die Herausforderungen von heute nicht mit den Werkzeugen von gestern lösen.

 

Sie haben zahlreiche Sinnstifter getroffen: Welche Begegnung hat Sie während der Arbeit am Buch besonders beeindruckt?

Jürgen Schöntauf: Jeder von Ihnen hat mich auf seine Art zutiefst beeindruckt. Es fällt mir sehr schwer, jemand einzelnen besonders hervorzuheben, den sie alle übernehmen jeder auf seine Weise Verantwortung nicht nur für ihre Unternehmen, sondern auch für die Menschen die dort arbeiten, die Gesellschaft und die Umwelt. Sie alle haben eine hervorragende Unternehmenskultur und stehen unbeirrbar für bestimmte Werte. Diese sind nicht nur irgendwo auf einem Papier niedergeschrieben, das so langsam in der Schublade vergammelt, sondern werden tatsächlich gelebt. Ein Unternehmer hat mich allerdings tatsächlich doch noch mal ganz besonders beeindruckt: Uwe Lübbermann von Premium Cola. Er denkt Wirtschaft ganz anders, kümmert sich auf vorbildliche Weise um alle Beteiligten und ist seit 14 Jahren erfolgreich. Aus diesem Grund habe ich aus seinem Interview ein eigenes Kapitel gemacht. Es ist eine sehr beeindruckende Unternehmensgeschichte und musste einfach etwas ausführlicher erzählt werden.

 

Jürgen Schöntaufzeigt seit über 20 Jahren Unternehmern und Führungskräften, wie sie ihre Zukunft selbst in die Hand nehmen. Der gefragte Keynote- Speaker ist Mitglied der Wertekommission - Initiative Werte Bewusste Führung e. V., der World Future Society und Future Circle Member des Zukunftsinstituts.

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18.10.2016