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Wirtschaft und Gesellschaft

»Ich will die Schwarmdummheit beim Namen nennen und dabei helfen, sie einzudämmen.«

Gunter Dueck erklärt im Interview über sein neues Buch »Schwarmdummheit«, warum wir Dummheit so oft als Komplexität verkaufen.

Foto: Jörn Wolter

Dem Begriff der »Schwarmintelligenz« setzen Sie mit Ihrem neuen Buch den der »Schwarmdummheit« entgegen. Was hat Sie dazu gebracht?

 

Prof. Gunter Dueck: In der Schule wird uns ein Bild davon vermittelt, was wunderbar ist: die Note 1. Letzten Endes aber wollen wir uns doch nur davor schützen, keine 5 zu bekommen. Wir versuchen deshalb, die schlimmsten Fehler möglichst zu vermeiden. Die Philosophen sprechen vom Ethos, die Götter fordern das Einhalten der Gebote, die Priester geißeln die Sünde. In diesem Sinn ist Schwarmintelligenz das von uns Geforderte und Schwarmdummheit das Reale, das bekämpft werden muss. Ich predige nicht, das ist mir zu einfach. Ich will die Schwarmdummheit beim Namen nennen und dabei helfen, sie einzudämmen.

 

Endlose Meetings, komplexe Entscheidungsprozesse – gerade Unternehmen identifizieren Sie als Zentren der »Schwarmdummheit«. Warum gilt hier »je mehr, desto dümmer«?

G.D.: Es ist Mode geworden, den Einzelnen in den großen Unternehmen ehrgeizige individuelle Ziele zu übertragen – und damit beginnt alle Schwarmdummheit. Denn dann stellt der Einzelne fest: Beim Erreichen meiner eigenen hohen Ziele stehen mir die Ziele der anderen oder die Interessen meiner Kunden im Weg. Diese anderen werden zunehmend als Behinderer wahrgenommen und nicht mehr als Partner oder Mitglied des eigenen Teams. Je komplexer die Organisation ist, desto mehr Hindernisse gibt es! Deshalb verkommt die eigentlich gewollte Teamarbeit (Note 1) zum Hindernislauf (Note 4 – 5). Das ist dumm, aber man hält es – in Unkenntnis der Dummheit – für unvermeidbar und sagt »Komplexität« dazu.

 

 

Sie schreiben, dass niemand in Unternehmen, Gremien, Parteien gemeinschaftlich so agiert und entscheidet, wie er als Individuum entscheiden würde. Warum opfern wir unsere individuelle Intelligenz der Gruppendynamik?

G.D.: Das Mittel wird zum Ziel: Das Management »fokussiert« die individuelle Intelligenz über das Vehikel der (zu) ehrgeizigen Individualziele auf eben diese Ziele. Das erzeugt einen Einsatz der Ellenbogen, den man im Privaten so extrem nicht feststellen kann. Ein Beispiel: Viele Unternehmen wollen, dass man mit den Kunden hart verhandelt und Rechnungen schnell eintreibt – und eben das tun die Mitarbeiter dann auch. Wenn man als Selbstständiger arbeitet, weiß man sehr wohl, dass das gute Verhältnis zum Kunden wichtiger ist als das Quartalsergebnis. Aber obwohl der Einzelne das weiß, agiert er im Großunternehmen anders und vergrätzt damit möglicherweise die Kunden des Unternehmens – während der Selbstständige weiß, es sind seine Kunden. In dem Moment, in dem ein Mitarbeiter so etwas tut, leugnet er seine eigene Intelligenz. – Ist ein solches Verhalten nicht dumm?

 

Bei Google wurde die Zwei-Pizzen-Regel für Meetings beschlossen. Mehr Mitarbeiter, als von zwei Pizzen satt werden, kommen nicht an einen runden Tisch. Ist das eine gute Idee?

G.D.: Schon besser! Es geht aber nicht darum, möglichst wenig Personen in einen Raum zu lassen, sondern eher darum, nicht zu viele Interessen um einen Tisch zu versammeln. Schwarmintelligenz entsteht aus dem engagierten Verfolgen eines gemeinschaftlichen Ziels.

 

Sie zeigen in Ihrem Buch auch, wie wir gemeinsam klüger handeln können. Geben
Sie uns einen kleinen Vorgeschmack?

G.D.: Schwarmdumme sind wie Schüler, die zwischen 4 und 5 stehen. Man kann ihnen natürlich sagen, wie Note 1 geht. Aber das nutzt ihnen unmittelbar wenig. Wer zwischen 4 und 5 steht, muss erst einmal die gröbsten Fehler erkennen und abstellen: Setzen Sie realistische Ziele, die gern verfolgt werden. Vermeiden Sie Überlastung, fördern Sie den gegenseitigen Respekt unter den Mitarbeitern, vermeiden Sie Störungen im Betrieb … Das ist alles bekannt! Leider überlasten viele Unternehmen heute ihre Mitarbeiter dennoch so sehr, dass sie sich gegenseitig kaum noch respektieren (sondern eher behindern) und dass es immer wieder zu nervenaufreibenden Störungen im Ablauf kommt. Wir sehen das als Bahnreisende: Da es nicht genug Züge gibt, können sich auch kleinere Störfälle leicht zu massiven Behinderungen auswachsen, denn diese Störungen haben die fatale Neigung, sich auszubreiten. Was ich damit sagen will: Es geht gar nicht mehr darum, klüger zu handeln, sondern nur darum, die gröbsten Dummheiten zu unterlassen. Und diese Dummheiten habe ich in meinem Buch aufgelistet: Überlastung, Opportunismus, Anbeten der jeweils neuesten Managementhypes (was an Wunderglauben grenzt), eine fast schon idiotische Falschauslegung von Statistiken, Blindheiten gegenüber dem Wandel, zwanghafte Anwendungen von Regeln, die in der Vergangenheit einmal ganz gut waren, und so weiter und so fort. – Mein sehr ernst gemeinter Rat: Lassen Sie es!

 


Mehr von Gunter Dueck: www.omnisophie.com

 

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16.02.2015