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Wirtschaft und Gesellschaft

»In jeden Deal gehen Sie am besten mit der Haltung, dass alles nur ein Spiel ist«

Jack Nasher, Jahrgang 1979, ist Wirtschaftspsychologe und Jurist. Er studierte und lehrte an der Oxford University und ist zurzeit Professor für Führung und Organisation an der Munich Business School. Jack Nasher berät internationale Unternehmen und hält weltweit Vorträge und Seminare zu Kommunikation und Verhandlungstechnik. Der »Natural Born Dealmaker« ist einer der führenden Verhandlungsexperten im deutschsprachigen Raum. Sein letztes Buch »Durchschaut!« stand wochenlang auf der Spiegel-Bestsellerliste. Er ist gern gesehener Gast bei zahlreichen Radio- und Fernsehsendern. Mit seinem psychologischen Wissen fasziniert er ein Millionenpublikum.

Herr Nasher, Sie sind bekannt als der »Natural Born Dealmaker«. Wie kam es zu diesem Namen?
Jack Nasher: Der ist ziemlich früh entstanden. Schon als Kind musste ich immer um irgendwelche Süßigkeiten feilschen. In Clubs habe ich uns als Teenies immer »reingequatscht«. Das hat sich so fortgesetzt und ich habe gemerkt, dass es eigentlich die gleichen Techniken sind, die ich auch im Wirtschaftsleben gesehen habe. Das hat sich wie ein roter Faden durchs Leben gezogen. Und schließlich mache ich es beruflich, unterrichte es und habe ein Buch dazu geschrieben.

Ihr Buch heißt »Deal!«, worum geht es?
Jack Nasher: Es geht darum, in den alltäglichen Situationen das zu bekommen, was man wirklich will, und es geht darum, immer besser abzuschneiden. Ob man ein Auto kauft, um einen Mietvertrag verhandelt oder auch mit der Familie diskutiert, wohin es das nächste Mal in den Urlaub geht: Das sind alles Verhandlungssituationen. Jede Diskussion ist eine Verhandlung darüber, wer recht hat. Manche Psychologen sagen, wir verhandeln 40 Stunden in der Woche. Und wenn ich dabei jedes Mal besser abschneide – seien es auch nur zehn oder 20 Prozent –, dann habe ich am Ende meines Lebens in diesen 10 000 oder 20 000 Interaktionen zehn oder 20 Prozent mehr rausgeholt. Und das ist ein erheblicher Unterschied.

Für wen haben Sie Ihr Buch geschrieben?
Jack Nasher: Das Buch ist für jeden geschrieben. Für jeden, der in allen Situationen das Maximale herausholen möchte. Es geht darum, Streit zu vermeiden und Leute zu manipulieren – das klingt vielleicht erst mal negativ. Aber es geht darum, Menschen davon zu überzeugen, Ihnen das zu geben, was Sie in diesem Moment wirklich wollen.

Der Untertitel Ihres Buchs lautet: »Du gibst mir, was ich will«. Funktioniert das überhaupt?
Jack Nasher: »Du gibst mir, was ich will«, lautet der Untertitel. Und eigentlich müsste das Buch noch einen zweiten haben: Und ich gebe dir, was du willst. Das ist der Kern! Ein Kompromiss ist schlecht. Wir denken zwar oft, ein Kompromiss ist gut, aber das stimmt nicht. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Zwei Schwestern streiten um eine Orange. Sie streiten und streiten und irgendwann kommt die Mutter, teilt die Orange in zwei Hälften und gibt jeder der Schwestern eine Hälfte. Man denkt, ein Kompromiss ist hier eine gute Sache. Das ist aber nicht so, denn die eine Schwester wollte die Frucht, um daraus Saft zu pressen. Die andere wollte die Schale, um damit Kuchen zu backen. Ihre Interessen standen sich überhaupt nicht entgegen. Nur findet man das oft gar nicht heraus und lässt sich stattdessen vorschnell auf einen Kompromiss ein. Man denkt, der andere hat genau die gleichen Interessen wie ich. Dabei müsste man eher herausfinden, was der andere will. Und wenn der umgekehrt weiß, was ich wirklich will, dann können beide wunderbar das nehmen, was sie wollen, und jeder ist zufrieden. Das ist der Idealfall. Und den gibt es häufiger, als man denkt.

Wie bekommt man also, was man will?
Jack Nasher: Es gibt zwei Möglichkeiten. Entweder man macht einen großen Tisch und auf diesen Tisch stellt man so viele Verhandlungsgegenstände wie möglich. Nur über den Preis zu verhandeln ist schlecht, denn der eine will mehr, der andere will weniger.  Das ist dann wie ein Tauziehen. Wenn ich aber um ein Gehalt verhandele, dazu noch um einen Firmenwagen und um weitere Urlaubstage, ist es besser. Denn je mehr auf dem Tisch liegt, desto eher besteht die Möglichkeit, dass ich das, was mir wichtig ist – zum Beispiel die zusätzlichen Urlaubstage –, auch bekomme. Und der andere das bekommt, was er will. Das geht viel häufiger, als man denkt! Im Buch beschreibe ich, wie man den Tisch »groß« macht und wie man die Interessen des anderen herausfindet. Möglichkeit zwei ist: Der andere will genau das Gleiche wie ich. Das kann schon auch mal passieren. Dann kommen die Tricks zum Einsatz. Psychologische Mechanismen, die bei jedem funktionieren und die mir dazu verhelfen, mehr vom Kuchen zu bekommen. In dem Buch sind die wichtigsten psychologischen Tricks erklärt, mit denen ich das Maximum herausholen kann.

Sie reden gerade über Tricks. Können Sie einen verraten?
Jack Nasher: Ich gebe Ihnen ein Beispiel, das auf dem psychologischen Mechanismus der Gegenseitigkeit beruht: Ich gebe dir was, du gibst mir was. Dieses Prinzip ist in uns Menschen stark verankert. Man muss sich zur Gewohnheit machen, in der Verhandlung immer »wenn, dann« zu sagen. Du willst was von mir? Okay, kriegst du, wenn …. Du möchtest zum Ersten des Monats einziehen? Dann möchte ich aber, dass du selber streichst. Die Kunst besteht natürlich darin, etwas Kleines herzugeben und etwas, das mir sehr wichtig ist, zu bekommen. In der chinesischen Kriegsliteratur hieß es schon vor 3000 Jahren: einen Backstein geben und einen Jadestein erlangen.

Welche Eigenschaften sollte man als Dealmaker haben?

Jack Nasher: Eine sehr wichtige Eigenschaft ist Hartnäckigkeit. Früher in der Schule habe ich immer um meine Noten gefeilscht und wurde dafür auch manchmal belächelt. Aber ich dachte immer: Eigentlich lohnt es sich, die paar Minuten zu handeln, wenn ich ein halbes Jahr dafür gearbeitet habe. Keiner wirft Ihnen vor, dass Sie hartnäckig sind. Die sagen dann eher: »Sie waren ein harter Brocken.« Aber das ist ja fast schon ein Kompliment. Das heißt, bleiben Sie dabei, geben Sie nicht so schnell auf. Sie dürfen nie vergessen: Ein »Nein« ist nichts anderes als eine anfängliche Verhandlungsposition.

Mit welcher Haltung soll man in einen Deal gehen?
Jack Nasher: In jeden Deal gehen Sie am besten mit der Haltung, dass alles nur ein Spiel ist. Sie müssen wirklich dazu bereit sein, dass Sie auch ohne Verhandlungsergebnis rausgehen. Erst wenn Sie es so locker sehen und sich vorher bewusst machen, dass es gar nicht so schlimm ist, haben Sie die richtige Einstellung für einen Deal. Wenn es Ihnen wichtig ist, aber auch nicht zu wichtig.

Welches sind die größten Fehler, die man machen kann?
Jack Nasher: Ein ganz typischer Fehler ist, dass man vorschnell einen Kompromiss eingeht. Dass man keine Lust hat zu verhandeln oder sagt, wir haben uns so lieb, wir wollen nicht streiten, und deswegen einen Kompromiss schließt. Ein Beispiel: Sie wollen nach Indien in den Urlaub fahren, weil Sie Land und Leute kennenlernen wollen. Ihre Partnerin will ihre Ruhe haben und nach Dubai an den Strand. Was machen Sie? Sie sagen, wir machen einen Kompromiss, nehmen Zirkel und Geodreieck, landen in Kabul und denken: Verdammt, es war keine gute Idee, denn keiner hat das, was er wirklich wollte. Stattdessen sollte man lieber schauen, was kann Ihre und die Interessen Ihres Gegenübers in gleichem Maße befriedigen? Dann gehen Sie dahin, wo es Kultur gibt, aber auch einen Strand – zum Beispiel nach Oman. Dann hat jeder das, was er will.

Sie widmen in Ihrem Buch ein Kapitel dem Thema Macht – warum?
Jack Nasher: Wir denken sehr oft, wir haben keine Macht, aber sehr oft haben wir doch welche. Es gibt den »goldenen Moment«, in dem unsere Macht am größten ist. Zum Beispiel: Sie nehmen ein Jobangebot an. Der Moment, in dem Ihnen die Stelle angeboten wird und Sie sie noch nicht angenommen haben, ist der goldene Moment Ihrer Macht. In diesem Moment können Sie noch nach Dienstwagen, weiteren Urlaubstagen oder einem anderen Büro fragen. In dem Moment aber, in dem Sie die Stelle annehmen, verringert sich Ihre Macht schon wieder. Wenn Sie einen Deal machen, müssen Sie Ihre Macht verstehen oder sie zumindest wahrnehmen.

Wenn ich Sie um einen Tipp für meinen nächsten Deal bitte, wie könnte der lauten?
Jack Nasher: Nur einen Tipp? Dann lesen Sie einfach das Buch!

 

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18.09.2013