Business

Kultur macht den Unterschied

Unternehmenskultur ist zu einem wichtigen Entscheidungskriterium für Top-Talente geworden, sagt Simon Sagmeister. In seinem Buch zeigt er, wie man Unternehmenskultur visualisieren kann.

Das Thema Unternehmenskultur erlebt einen Boom. Unternehmenslenker werden nicht müde, die Wichtigkeit zu betonen. Woher das scheinbar plötzliche Interesse?

Simon Sagmeister: Das hat mit der Komplexität zu tun, die sich um und in Unternehmen entwickelt hat. Man kann Unternehmen heute kaum mehr über ständige Anweisungen oder rigide Strukturen steuern. Aber man kann bewusst eine Kultur schaffen, die das Handeln der Menschen prägt. Kultur ist daher eine ganz zentrale Steuerungsgröße – und damit von Interesse für diejenigen, die die Geschicke des Unternehmens leiten. Gleiches gilt für die Führung von Bereichen oder Teams.

Zudem ist Unternehmenskultur zu einem wichtigen Entscheidungskriterium für Top-Talente geworden. Gerade die besten Köpfe wollen heute mehr, als nur Geld zu verdienen. Sie wollen sich in einer attraktiven und gesunden Unternehmenskultur einbringen.

 

Was können Unternehmen mit Business Culture Design erreichen?

Simon Sagmeister: Kultur entsteht automatisch immer dort, wo Menschen interagieren. Sie beeinflusst, wie diese Menschen wahrnehmen, denken, fühlen und konsequenter Weise handeln. Wie sich die Kultur einer Organisation entwickelt, sollte man daher besser nicht dem Zufall überlassen, sondern besser bewusst gestalten. Business Culture Design zeigt, wie Unternehmenskulturen abgebildet und analysiert werden können – und vor allem konkrete Möglichkeiten, die Kulturmuster gezielt zu nutzen und aktiv zu gestalten. 

 

Was macht eine gute Unternehmenskultur aus?

Simon Sagmeister: Eine gesunde Unternehmenskultur hilft einer Organisation, in einer dynamischen Umwelt erfolgreich zu bleiben. Dabei gibt es aber nicht die eine, richtige Kultur. Die Unternehmenskultur muss zur jeweiligen Organisation passen und vor allem zu dem, was diese Organisation tun will. Ein Atomkraftwerk braucht eine andere Kultur als ein Software-Startup, ein produzierender Betrieb oder ein Krankenhaus. Es geht darum, die richtige Kultur für den bestimmten Organisationszweck und die spezifischen Anforderungen an die Organisation zu finden.
Auch in ein und demselben Unternehmen kann es mehrere Kulturen geben. Marketing tickt womöglich etwas anders als Controlling oder HR. Und womöglich ist das auch gut so. Auch die Entwicklung dieser Kulturen kann man dem Zufall überlassen – oder bewusst gestalten. 

 

Sie beschreiben in ihrem Buch ihren sehr prägnanten Weg, Unternehmenskultur zu visualisieren. Was kann man sich konkret unter der Culture Map vorstellen?

Simon Sagmeister: Die Culture Map ist die kulturelle Navigationskarte der Unternehmensentwicklung.

Ich erlebe häufig, dass Unternehmen ein eher nebulöses Bild ihrer Kultur haben. Man tut sich schwer, Kultur zu beschreiben und klammert Kulturthemen daher aus. Das rächt sich dann gerne. Die Culture Map macht Kultur sichtbar und greifbar, indem sie konkrete Kulturmuster abbildet. Im Unternehmen entsteht dadurch ein gemeinsames Verständnis der gelebten Unternehmenskultur. Kultur wird konkret. Die Kulturmuster zeigen auch, inwieweit eine gelebte Kultur strategische Vorhaben unterstützt – und wo sie diese womöglich behindert. Es wird klar, welche kulturellen Stärken bewusst genutzt werden können und wo es womöglich Veränderungsbedarf gibt.

 

In welcher Phase ist Kultur-Management für ein Unternehmen besonders wichtig?

Simon Sagmeister: Kultur ist Herz, Verstand und Seele einer Organisation. Wer die Entwicklung eines Unternehmens oder Teams wirksam gestalten will, kommt an der Kultur nicht vorbei. Besonders in Phasen der Veränderung ist Kultur-Management daher wichtig. Aber auch bei der Strategieentwicklung und -implementierung oder bei Reorganisationsthemen entscheidet häufig die Kultur über Erfolg und Misserfolg. Lou Gerstner, ehemaliger CEO von IBM, hat einmal treffend formuliert: Culture is not part of the game – it is the game! Viele erfolgreiche Unternehmen sehen Kulturentwicklung daher auch als Daueraufgabe, die am besten kontinuierlich und in kleinen Schritten stattfindet. Dann kommt man erst gar nicht in Situationen, in denen ein fundamentaler Kulturwandel notwendig wird.

 

Sie haben die Culture Map über viele Jahre praktisch angewandt. In welchen Projekten ist das Modell hilfreich? 

Simon Sagmeister: Wir arbeiten mit ganz unterschiedlichen Unternehmen in verschiedenen Branchen und Ländern mit der Culture Map. Die Themenlandschaft streckt sich von der Post-Merger Integrationen über Teamentwicklungen oder Führungskräftetrainings bis hin zur integrierten Strategie- und Kulturentwicklung oder Veränderungsbegleitung. Die Culture Map hilft überall dort, wo man es mit Kultur zu tun hat. Und das kommt ja recht häufig vor…

 

Erlauben Sie einen Vergleich mit der Medizin: Ist Business Culture Design ein ganzheitlicher Ansatz im Vergleich zu einer eher Symptom orientierten Behandlung?

Simon Sagmeister: Absolut. Business Culture Design ist ein ganzheitlicher und auch systemischer Ansatz, der die komplexen Wechselwirkungen in einer Organisation beachtet und nutzt. Die Culture Map ist dabei das Röntgenbild der vorherrschenden Unternehmenskultur. Sie zeigt, wie ein Unternehmen wirklich tickt und welche grundlegenden Werte und Annahmen das Handeln steuern.

Eine ganzheitliche Betrachtung ist auch für die wirksame Entwicklung von Kultur wichtig. Die Schlüssel dazu finden sich in einer breiten Palette von Management- und Leadership-Themen. Besonders Führungskräfte sind mit ihrem täglichen Handeln mächtige Kultur-Präger. Sie finden in diesem Buch Beispiele, Anleitungen und Case Studies, um Kultur praktisch zu gestalten und gezielt zu nutzen. 

 

Zum Autor

Simon Sagmeister ist der Culture-Guy. Er gründete The Culture Institute in Zürich und ist Partner am Science House in New York. Weltweit vertrauen Fortune-500-Unternehmen ebenso wie Mittelständler auf seine Culture-Map-Methode.

 

 

09.09.2016