In Ihrem neuen Buch widmen Sie sich dem emotionalen Gehirn des Menschen. Gab es eine Initialzündung für diese Idee?
Werner Tiki Küstenmacher: Es waren mehrere. Der »innere Schweinehund«, den viele Menschen überwinden möchten, war mir immer überraschend sympathisch. Dann habe ich bei Hans-Georg Häusel in seinem Buch »Think Limbic!« zum ersten Mal vom limbischen System erfahren. Ein Vortrag von Maja Storch über das »Würmli« in unserem Hirn hat mich endgültig überzeugt: Ich muss mich mit Neuropsychologie beschäftigen.
Sie haben sich mit den neuesten Erkenntnissen der Hirnforschung auseinandergesetzt und sich dennoch für ein wuscheliges weißes Limbi-Wesen als Protagonisten für Ihr Buch entschieden. Warum?
WTK: Unser Gehirn ist unglaublich komplex. Die Gehirnforscher entdecken mit jeder neuen Antwort mindestens zwei neue Fragen. Ich wollte aus den Erkenntnissen der Neurowissenschaften diejenigen herausklauben, die sich konkret im Alltagsleben umsetzen lassen. Dazu gehört die Tatsache, dass in unserem Gehirn mehrere Systeme parallel arbeiten, um Entscheidungen zu treffen. Um das zu verdeutlichen, braucht man eine eingängige Metapher. Weil wir diese limbischen Strukturen im Zentrum unseres Schädels mit allen Säugetieren gemeinsam haben, lag es nahe, sie als ein typisches Säugetier zu zeichnen. Aber eines, das bewusst keinem real existierenden Vieh gleicht. Es ist das typische Urtier in uns.
Limbi – unser emotionales Gehirn – ist ein hoch emotionales und sensibles Wesen. Und es hat eine nicht zu unterschätzende Macht über uns. Woran merken wir das?
WTK: An den Emotionen. Zu fast allem, was um uns herum passiert, haben wir eine Meinung. Wir finden es gut oder furchtbar, angenehm oder unsympathisch. Es gibt zum Beispiel fast keine neutralen Gerüche – entweder es duftet gut oder es stinkt. Manchmal stimmt, etwa bei einer Begegnung mit einem unbekannten Menschen, Limbis erster Eindruck, und unser analytisch arbeitender Verstand hat Unrecht. Manchmal ist es aber auch umgekehrt. Deshalb lautet meine Botschaft: Beide zusammen sind das Traumteam, das uns Menschen erst zum Menschen macht – wilde Emotionen und rationales Denken.
Wenn wir unangenehme Aufgaben zu erledigen haben, wird Limbi oft bockig. Unseren ersten Impuls, dem »inneren Schweinehund« Druck zu machen, enttarnen Sie in Ihrem Buch als Finte. Was sollen wir stattdessen tun?
WTK: Mit Limbi kooperieren! Das ist die zentrale Botschaft meines Buchs. Ich habe viele
Beispiele gesammelt, wie man seine alltäglichen Ziele und Absichten so umformulieren kann, dass Limbi nicht bockig wird, sondern begeistert mitmacht. Das Ergebnis ist ein leichteres, lockeres und entspannteres Leben.
Geben Sie uns ein Beispiel. Limbi ist in Rage, hat keinen Bock auf Stress. Was können wir für ihn tun, damit er etwas für uns tut?
WTK: Angenommen, Ihr Limbi ist gerade aggressiv und rastet beim kleinsten Fehler von Kollegen oder Familienmitgliedern total aus. Sie können Limbi nicht zwingen, seinen Zorn zu unterdrücken. Aber Sie können seine Aufmerksamkeit auf etwas Angenehmes lenken. Rufen Sie in so einer Ragephase einen Menschen an, den Sie schätzen und der Ihnen guttut. So findet Ihr Limbi heraus aus dem Wutteufelskreis (»alles Idioten bis auf mich«). Haben Sie eine Verpflichtung vor sich, zu der Sie (also Ihr Limbi) gerade null Bock haben, dann suchen Sie nach einem klitzekleinen angenehmen Aspekt: Beim Ausfüllen der doofen Steuerformulare können Sie nebenbei Musik hören; während des Anrufs bei dem unangenehmen Zeitgenossen trinken Sie einen wundervollen Latte macchiato. Limbi ist genügsam – ein winziges, für ihn angenehmes Detail genügt oft, dass er doch mitmacht.
Was ist der entscheidende Unterschied zwischen simplify und Limbi?
WTK: Limbi ist die logische Fortsetzung von simplify. Ich habe mich immer gefragt, warum ich so manche kluge simplify-Einsicht nicht verwirkliche. Jetzt ist mir klar: Das waren die inneren Blockaden meines emotionalen Gehirns. Von daher ist mein Tipp ganz einfach: Wem »simplify your life« gefallen hat, braucht jetzt »Limbi«!
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