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Warum wir heute anders arbeiten müssen, um unser Morgen zu retten. Elly Oldenbourg

Fachkräftemangel, Überlastung, demographischer Wandel und Klimakrise sind fundamentale Herausforderungen unserer Zeit – und wir können sie nur lösen, wenn wir Arbeit neu erfinden. Elly Oldenbourg analysiert, was uns im Moment bremst und welche Veränderungen – »Workshifts« - wir angehen müssen. Dabei stellt sie die vier Wirkungsfelder Zeit, Kollaboration, Vielfalt und Kennzahlen in den Fokus und bietet konkrete Lösungsansätze für Entscheider:innen persönlich und für Unternehmen als Ganzes. Im Interview mit campus.de berichtet die Autorin über ihr neues Buch.

In Ihrem Buch »Workshift« fordern Sie dazu auf, die Arbeit neu zu erfinden, um fundamentale Probleme unserer Zeit wie Fachkräftemangel, Überlastung, demographischer Wandel oder Klimakrise angehen zu können. Was ist der entscheidende Faktor dieser neuen Form der Arbeit?

Elly Oldenbourg: Es ist wichtig zu erkennen, dass wir die Welt maßgeblich verbessern können – und zwar über den Hebel, mit dem wir alle die meiste unserer wachen Zeit verbringen: Arbeit. Denn wie und woran wir arbeiten, steht im direkten Zusammenhang mit den ökologischen, sozialen und gesellschaftspolitischen Problemen. Wir brauchen dringend nachhaltige Lösungen, denn bisher strukturieren wir (Erwerbs-)Arbeit noch wie vor 100 Jahren.

Dafür müssen wir im eigenen Leben und in großen Unternehmen, vor allem in Privatwirtschaft und großen Konzernen, etwas ändern. Wie, wann und mit wem arbeiten wir? Auf welche Ziele arbeiten wir hin? Wenn wir Arbeitszeit flexibler gestalten, bringt das nicht nur einen Zeitgewinn für Familie, Freunde oder die eigene Gesundheit. Es gibt uns die Möglichkeit, ökologischere Entscheidungen zu treffen oder Demokratie aktiv zu gestalten, etwa durch nachbarschaftliches oder ehrenamtliches Engagement. Ein Mehr an Flexibilität führt zu mehr Produktivität – und das ist es doch, wonach Wirtschaft wie Politik rufen. Für mich ist es eine Frage der Logik, lieber mehr Menschen in flexiblen Arbeitsmodellen abseits der 40-Stunden-Woche zu haben, als weniger Menschen, die bei 60-80 Stunden ausbrennen!
 

Sie behandeln im Buch vier Wirkungsfelder, mit denen wir uns aus dem Korsett überholter Strukturen befreien können? Wer muss diese Befreiung aus ihrer Sicht in Gang setzen?

Elly Oldenbourg: Natürlich wird ein Wandel in einer Gesellschaft grundsätzlich von jeder und jedem getragen. Mein Buch richte ich jedoch dezidiert an Personen, die Teil der großen Privatwirtschaft sind. Denn sie drehen im Hinblick auf Mitarbeiterzahlen, Kapital und Einfluss an den großen Hebeln. Ich skizziere vier zentrale Wirkungsfelder, die sowohl Individuen als auch Entscheider:innen nutzen können, um die (Arbeits-)Welt zum Positiven zu verändern: Zeit, Kollaboration, Vielfalt, Kennzahlen.

Beispiel Kollaboration: Machtspiele, Selbstdarstellung oder verfilzte Strukturen überlagern oft die Fähigkeiten zu tatsächlicher Kollaboration in Unternehmen. Diese Fokussierung auf das »ich« statt auf das »wir« ist völlig kontraproduktiv. Ich zeige im Buch auf, wie wir Kollaboration stärken können. Zum einen durch einen inneren Reifeprozess bei jedem Einzelnen und zum anderen, indem wir die emotionale Intelligenz in Teams fördern und wirklich auf transparente, klare Kommunikation setzen.

 

Das Thema Kennzahlen ist in der Arbeitswelt von heute die treibende Größe. Müssen wir in der neuen Arbeitswelt neue Faktoren in die Berechnung von »Gewinn« miteinbeziehen, wenn wir Neues erreichen wollen?

Elly Oldenbourg: Wenn wir langfristig einen Nährboden für Unternehmen mit Innovationskraft, leistungsfähigen Menschen auf einem bewohnbaren Planeten gewährleisten wollen, muss die Wirtschaft und müssen Unternehmen ihre Kennzahlen und das, was als »Gewinn« verbucht wird, erweitern. Shareholder Value und Wachstum erfassen schlichtweg nicht alle Aspekte, die für den langfristigen Erfolg einer Volkswirtschaft, eines Unternehmens und aller Stakeholderentscheidend sind. Das beginnt bei der Mitarbeiterzufriedenheit und -entwicklung und geht bis zu ökologischen Entscheidungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Wir brauchen einen Mindshift, der neben der Effizienz auch menschliche und planetarische Aspekte berücksichtigt. In meinem Buch mache ich dazu zahlreiche Vorschläge, basierend auf den Erkenntnissen kluger Volkswirte und Zukunftsforschern. Wenn wir über kurzfristiges Effizienzdenken hinauswachsen, machen wir nicht nur ökologische und soziale Kollateralschäden sichtbar, sondern stärken auch langfristig unsere Wirtschaft.

 

Diversity ist ein wichtiges Thema in ihrem Buch. Sie sagen, wir brauchen Vielfalt, um zu kreativen Problemlösungen in Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt zu kommen. Wie sieht die Vielfalt in der neuen Arbeitswelt aus und braucht es klare Zielvorgaben in der Wirtschaft, damit wir dieses Ziel erreichen?

Elly Oldenbourg: In »Workshift« zeige ich auf, wie Arbeit ein Teil der Lösung für eine bessere Welt sein kann. Ich zeige, wie Unternehmen durch das Fördern von diversen Teams, die in chancengerechten und inklusiven Strukturen arbeiten, zu diesem Ziel beitragen können. Ich sehe Vielfalt nicht nur als eine ethische Verpflichtung, sondern auch als wirtschaftlichen Vorteil.

Zahlreiche Studien belegen: Diverse Unternehmen fördern ihre Innovationskraft, verbessern die Problemlösungsfähigkeit und unterstützen eine offenere, innovativere Kultur. Dies führt zu einer stärkeren, widerstandsfähigeren Wirtschaft und einer gerechteren Gesellschaft.

Im Buch skizziere ich, wie das konkret gelingen kann - aber nicht nur in den Unternehmen, sondern auch in jedem von uns persönlich. Sich die eigene Pluralität und Vielfalt zuzugestehen, und sich in diese ganz aktiv einzubringen, ist für mich ein wesentlicher Hebel für eine zugewandteres – und innovativeres! – Miteinander.


Sie haben in Ihrer Karriere auch schon selbst einige WORKSHIFTS vollzogen. Was sind dabei Ihre persönlichen größten Learnings?

Elly Oldenbourg: Ja, mein Karriereweg ist sehr vielseitig. Ich mag das sehr, weiß aber auch, dass das ein großes Privileg und auch nicht für jeden etwas ist. Genauso wenig aber wie die vermeintlich alternativlose Norm einer 40-80 Stunden Woche. Mein größtes Learning ist: flexibel bleiben, mit Weitblick auf Situationen und Menschen blicken, und dann wirklich etwas verändern, probieren, wagen. Wenn ich mir die Welt so ansehe, ist es auch das, was ich mir im Hinblick auf unsere großen Probleme wünsche: Lösungs- und Handlungsspielräume erkennen und dann mit weitem Kopf und Herz in die Hände spucken und: Let’s go!


Vielen Dank für das Gespräch!

 

Elly Oldenbourg ist erfahrene Managerin, zuletzt langjährig bei Google. Dank Teilzeit und Jobsharing konnte sie sich in den letzten Jahren als Sidepreneurin und ehrenamtlich für eine flexiblere und zukunftsweisendere (Arbeits-)Welt engagieren: zum Beispiel als Speakerin, Co-Gründerin des New-Work-Onlinekurses oder Gastdozentin am Karlsruher Institut für Technologie (KIT), als Gastgeberin eines philosophischen Salons, Wertebotschafterin bei der Bildungsinitiative #GermanDream, oder als Aufsichtsrätin beim World Future Council. Die Halb-Griechin lebt mit ihrer Familie in Hamburg.

 

 

 

06.02.2024

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