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Wissenschaft

Wie lebt man Demokratie?

Die Revolte hat begonnen. Von Kairo über New York bis Madrid: Künden die Proteste des Jahres 2011 von einem globalen Aufbegehren? Inspiriert von dieser Bewegung haben Michael Hardt und Antonio Negri eine flammende Streitschrift für einen demokratischen Neubeginn geschrieben.

Kurz nach der Jahrtausendwende machte ein Buch das Autorenduo Michael Hardt und Antonio Negri weltbekannt. In »Empire«, 2003 bei Campus auf Deutsch erschienen, beschrieben der US-amerikanische Literaturwissenschaftler und der italienische Philosoph die Weltordnung des siegreichen Neoliberalismus, der das Leben global umspannt.

»Empire« war eine hellsichtige Analyse des gesellschaftlichen Zustands. Als eine Art Gegenkraft machten sie die »Multitude« stark, die Menge oder Vielfalt, die sich der Kontrolle des Lebens und der Herrschaft des Kapitals zu widersetzen versucht. Mit »Demokratie! Wofür wir kämpfen« legen Hardt und Negri noch einmal nach: mit einem politischen Programm auf 127 Seiten.

Stand »Empire« für den Sieg des Neoliberalismus, kündet »Demokratie!« von seiner Krise, vielleicht von seinem nahen Ende, jedenfalls von dem globalen Scheitern der Regierungen und einem mächtigen Aufbegehren. Und wieder geht es um die Multitude, diesmal aber konkreter – den weltweiten Protesten des Jahres 2011 sei Dank. Der Arabische Frühling in Tunis, Kairo und Damaskus, die Occupy- Bewegung, wütende Jugendrevolten in Madrid, London und Santiago de Chile, Protestcamps in Tel Aviv und andernorts: In diesem globalen Aufstand sehen Hardt und Negri trotz aller Unterschiede eine neue und gemeinsame Kraft am Werk: den Willen, nicht mehr so regiert werden zu wollen, den Wunsch, die Sache selbst in die Hand zu nehmen, und die Überzeugung, sich dabei konsequent demokratisch zu organisieren. Die dezentrale globale Bewegung braucht weder Ideologie noch Führer.

Inspiriert von den Protesten beschreiben Negri und Hardt das Projekt einer Demokratie von unten. Das Motto: Wenn wir uns den Schulden verweigern, aus der Überwachung befreien, neue Netze politischer Information schaffen und die entleerte repräsentative Demokratie durch lebendige Formen der Beteiligung ersetzen, können wir eine neue Verfassung begründen. Eine Verfassung, in der Wasser, Banken, Bildung und andere Ressourcen weder von der Privatwirtschaft noch vom Staat kontrolliert werden, sondern wahrhaft Gemeingüter – »commons« – sind. Auf diesem Weg können die Folgen der Finanzkrise, die drängenden Umweltprobleme und die wachsende soziale Ungleichheit überwunden werden. Wiederholt vergleichen Hardt und Negri das ausgelaugte neoliberale Regime von heute mit dem »ancien régime« des vorrevolutionären Frankreichs. In diesem Sinne steht der Sturm auf der Bastille kurz bevor.

 

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17.09.2013