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»Wir sind unserem Stress nicht hilflos ausgeliefert.« Eva Brandt

Wie gelingt es, Höchstleistung zu bringen und dennoch die eigene Gesundheit nicht zu gefährden? Eva Brandt und Miriam Fritsch-Kümpel haben eine Methode zur Stressreduzierung von Führungskräften entwickelt. Mit ihrer praxiserprobten Lotus-Strategie perlt der Stress ab, wie das Wasser an einer Lotusblüte.

Dr. Eva Brandt

Miriam Fritsch-Kümpel

Ständige Erreichbarkeit, Mobilität und ein hohes Maß an Flexibilität – unser Leben in 2018 ist stressig. Der Untertitel Ihres Buches »Stress?« lautet: Du entscheidest, wie Du lebst. Was heißt es vor allem, sich gegen Stress zu entscheiden?

Eva Brandt: Die Erkenntnis, dass die Entscheidung bei uns selbst liegt, ob wir eine Situation als Stress wahrnehmen oder nicht, ist für die meisten Personen eine Erleichterung. Es bedeutet, dass ich meinem Alltag nicht hilflos ausgeliefert bin, sondern es selbst in der Hand habe, wie ich mich fühle.

Miriam Fritsch-Kümpel: Wir möchten unsere Leser unterstützen, in die Rolle des Gestalters zu kommen. Aus diesem Grund haben wir ein Trainingsbuch entwickelt, in dem wir das Handwerkszeug für eine breite Reflexion über Verhaltensmuster, Ziele, Herausforderungen, Stressverstärker liefern und zudem ermöglichen, die eigene Einstellung zum Stress zu ändern.

 

Was bedeutet das konkret?

Eva Brandt: Für die bewusste Entscheidung gegen Stress, ist es wichtig zunächst einmal zu definieren, welches unsere Stressauslöser (Stressoren) sind. Es ist nicht immer der Stressor selbst der uns unter Druck setzt, sondern die Frage, wie wir ihn bewerten. Halten Miriam Fritsch-Kümpel oder ich einen Vortrag vor 300 Personen, erfüllt uns das mit Freude. Einige unserer Zuhörer hingegen würden großen Stress empfinden, nach vorne auf die Bühne zu kommen und einen Vortrag zu halten. Ein und dieselbe Situation wird von Menschen unterschiedlich bewertet. Insofern ist es nicht immer die Situation selbst, die Stress erzeugt, sondern es ist die Sicht des Betroffenen. Diese Sicht lässt sich bewusst verändern. 

 

Sie arbeiten mit der Lotus-Strategie. Das klingt nach Asien. Erzählen Sie uns kurz, was der Leser sich unter der Lotus-Strategie vorstellen darf?

Miriam Fritsch-Kümpel: Die Lotusblüte hat einen selbstreinigen Abperleffekt. Analog zu diesem Effekt, verstehen unsere »Lotus-Strategie«. Sie umfasst sieben Module, die in der Summe eine physische, mentale und emotionale Reinigung und Stärkung erreicht:

1. Akzeptanz-Modul

2. Veränderungs-Modul

3. Werte-Modul

4. Alpha-Modul

5. Sinnes-Modul

6. Netzwerk-Modul

7. Lösungs-Modul

Im Anschluss an jedes dieser Module folgen Trainingsaufgaben, Übungen oder Reflexionen. Fallbeispiele und Analysen ergänzen unser Konzept. Durch zusätzliche Audioübungen zum downloaden findet er Wege in die aktive Entspannung. 

 

Mit Ihrem Buch geben Sie den Lesern einen Trainingsplan gegen Stress. Was ist der entscheidende erste Schritt?

Eva Brandt: Der entscheidende erste Schritt ist die bewusste Reflexion der persönlichen Stressoren. Was bringt mich dazu, dass ich ins Ungleichgewicht gerate? Im nächsten Schritt kann der Leser seinen persönlichen Stresstyp ermitteln. Hierfür haben wir eine Analyse entwickelt die dem Leser aufzeigt, welche Verhaltens- und Denkmuster ihn in anspruchsvollen Situationen antreiben. Diese inneren Antreiber verstärken Stressmomente ohne, dass wir das wollen. Sie zu kennen bedeutet, dass wir sie aktiv reduzieren und verändern können.

Miriam Fritsch-Kümpel: In einfachen zielgerichteten Schritten erfährt der Leser wie er sich aktiv einen eigenen Lotus-Effekt aufbauen kann, um so mehr Zufriedenheit im Leben zu erfahren.

 

Veränderung beschreiben Sie als Dreiklang. Der Analyse, der Veränderung schmerzhafter Bereiche und den neuen Zielen. Warum fällt es vielen Menschen so schwer, sich von »schmerzhaften Bereichen« zu trennen und mehr auszuhalten, als nötig ist?

Eva Brandt: Häufig ist die Angst vor Veränderungen und den unvorhersehbaren Folgen größer als der momentane Schmerz. Nehmen wir zum Beispiel einen Manager der jede Woche zwischen München und Göttingen pendelt, weil er nicht möchte, dass seine Familie aus dem gewohnten Umfeld herausgerissen wird. Er büßt die Tatsache ein, dass er seine Kinder nur am Wochenende erleben darf. Wird diese Situation für ihn zur Belastung, stellt sich die Frage, welche Veränderung für ihn die richtige ist. Umzug mit der Familie? Jobwechsel? Oder ist es möglich mit dem Arbeitgeber eine neue Regelung zu treffen? Vielleicht könnte er nur drei Tage die Woche im Büro sein und die anderen Tage im Homeoffice bleiben? Vielleicht könnte er auch auf 80% zurückgehen und seine Frau geht wieder ein paar Stunden die Woche arbeiten? Es gibt viele Veränderungsmöglichkeiten. Häufig hinterfragen wir unsere Situation nicht so detailliert, da gleichzeitig auch Ängste und Bedenken innerhalb des Nachdenkens dazukommen. Wie wirkt sich die Veränderung auf meine Karriere aus? Würden wir finanzielle Einbußen dadurch erfahren? Würde ein Umzug die Kinder zu sehr belasten? Die Ungewissheit ist für die meisten Menschen die größte Bedrohung. Deshalb halten Sie häufig an schädlichen Gewohnheiten fest.

 

Wen möchten Sie mit Ihrem Buch vor allem erreichen?

Miriam Fritsch-Kümpel: Im Grunde möchten wir all jene Menschen erreichen, die im Berufsleben stehen und sich mehr Ausgleich und Zufriedenheit wünschen. 

Unser Buch kann dabei eine Anregung sein, über gewohnte Mechanismen neu nachzudenken. Wir sehen vor allem den Präventionscharakter im Vordergrund. Aber auch konkret belastete Menschen wollen wir befähigen, aus dem Strudel aus Verantwortung, Stress und Belastung auszusteigen.

 

Dr. Eva Brandt arbeitet seit über 20 Jahren als selbstständiger zertifizierter Business-Coach. Zusammen mit Miriam Fritsch-Kümpel gründete sie das Stresskompetenzzentrum in Wiesbaden.

Miriam Fritsch-Kümpel ist Psychologin und coacht Manager, Fach- und Führungskräfte. Zusammen mit Dr. Eva Brandt gründete sie das Stresskompetenzzentrum in Wiesbaden.

 

 

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06.06.2018