Stimmen werden lauter, die das Ende der Demokratie beschwören oder zumindest sagen, das System sei marode. Sie machen mit ihrem Buch das Gegenteil und laden Vordenker*innen ein, ein 12-Monats-Programm zur Stärkung der Demokratie zu initiieren. Gab es einen konkreten Anlass für diese Idee?
Elisabeth Niejahr: Das Buch »Wie Demokratien sterben« von Daniel Ziblatt und Steven Levitsky wurde Anfang vergangenen Jahres gerade besonders viel zitiert. Völlig zu Recht, es ist ein gutes Buch. Aber wir dachten damals, dass es doch mindestens so wichtig sei, wie Demokratien überleben, durch welche konkreten Maßnahmen sie gestärkt werden. So entstand unser Buch.
Sind Momente der Krise oder des Wandels besser als andere geeignet, um für bestimmte Themen die Weichen neu zu stellen und haben Sie die Hoffnung, dass jetzt ein guter Zeitpunkt ist, konkrete Veränderungen anzustoßen?
Grzegorz Nocko: Wir haben bei der ursprünglichen Idee weniger an Corona als an das beginnende Wahljahr gedacht. Wir wollen ja etwas bewegen, im Sinne einer handfesten Agenda für die Zukunft der Demokratie. Dafür sind die Monate vor der Wahl, wenn die Programme für die nächsten Jahre geschrieben werden, besonders wichtig. Jedenfalls haben Ereignisse wie die Trump-Wahl und der Brexit ganz klar das Bewusstsein dafür geschärft, vor welchen Herausforderungen die liberale Demokratie steht.
Wen sehen Sie vor allem als Treiber des Wandels?
Elisabeth Niejahr: Ganz sicher nicht den Staat und die Parteien allein. Es klingt vielleicht nach Sonntagsrede, stimmt aber trotzdem: Die Stärkung der Demokratie ist eine Aufgabe für alle, fängt bei der Kindererziehung und hört beim Respekt gegenüber den Alten auf. Wir setzen mit Projekten wie Jugend debattiert oder Jugend entscheidet auf Bildung. Denn eine Demokratie ist nur so stark wie die Menschen, die sie tragen.
Welcher Vorschlag, welche Idee aus dem Buch hat Sie selbst am meisten beeindruckt?
Grzegorz Nocko: Die Texte haben sehr unterschiedliche Stärken. Auf das Thema des Publizisten Maximilian Steinbeis zum Beispiel muss man erst einmal kommen: Was wäre, wenn Rechtspopulisten die Mehrheit hätten und das Verfassungsgericht lahmlegen wollten? Was ließe sich dagegen tun? Auf diese Fragen hat der Autor gute Antworten. Beim schwarz-grünen Streitgespräch von Doro Bär und Franziska Brantner hingegen war interessant, wie die Frauen miteinander umgingen: sehr professionell und fair, aber auch kompetitiv. Die Forderungen des Psychologen Ahmad Mansour für die Polizei wiederum sind so einleuchtend, das wir einfach auf schnelle Umsetzung hoffen.