Salafismus ist für die bundesdeutsche Gesellschaft zu einem Alltagsphänomen und für Medien, Politik und Bevölkerung zu einem Dauerthema geworden. Die salafistische Bewegung spaltet die deutsche Gesellschaft in doppelter Weise: Sie grenzt sich mit ihrer Mischung aus empfundener moralischen Überlegenheit und gleichzeitig wahrgenommener gesellschaftlicher Benachteiligung von den »Ungläubigen« ab, aber auch von den sunnitischen Glaubensschwestern und -brüdern. Und sie konditioniert ihre jungen Anhängerinnen und Anhänger, Werte, Prinzipien und Institutionen der pluralistischen Gesellschaft und des demokratischen Verfassungsstaats abzulehnen. Salafismus erscheint daher als Ergebnis gesellschaftlicher Polarisierung und wirkt zugleich als Motor für diese.
Zur Sorge über den Salafismus tritt die diffuse Angst, die der Dschihadismus – ein Phänomen, das mit Salafismus nicht einfach gleichzusetzen ist – des IS und al-Qaidas verbreitet. Die Wahllosigkeit der Morde und Mordversuche zuletzt unter anderem in Berlin, Ansbach und Würzburg, das erschreckend Plötzliche des Gewaltgeschehens, das Bewusstsein des Risikos, jederzeit überall Opfer eines Anschlags werden zu können, ist für viele Menschen beunruhigend. Während der Dschihadismus bis zum Moment seiner gewaltsamen Manifestation in unserer Lebenswelt nicht auftaucht, sind die Anhängerinnen und Anhänger des Salafismus sichtbar und hörbar, was die Unsicherheiten vermehrt. Um dem Salafismus zu begegnen, bedarf es eines Ansatzes, der präventive und reaktive Maßnahmen vereint, Stigmatisierungen vermeidet, Wissen bereit hält und staatliche wie nicht-staatliche Institutionen und Akteure einbindet.
Im Angesicht dieser Herausforderungen stellen sich also für die Gesellschaft drängende Fragen: Was hat Salafismus mit Islam und Musliminnen und Muslimen in Deutschland zu tun? Wie hängen Salafismus und terroristische Gewalt zusammen? Sind Salafismus und Dschihadismus »deutsche« oder »importierte« Phänomene? Wie viel Repression ist unvermeidlich, wo ist die Grenze des kontraproduktiven, Radikalisierung fördernden Effekts? Welche Chancen bieten Präventions- und Deradikalisierungsarbeit? In einem von Janusz Biene, Christopher Daase, Julian Junk und Harald Müller herausgegebenen Band kommen einschlägige Expertinnen und Experten zu Wort, um sich diesen und anderen Fragen zu widmen. Sie beleuchten bisher wenig erforschte Bereiche und geben Handlungsempfehlungen für Politik, Verwaltung, Zivilgesellschaft und Medien. Dabei verengen sie den Blick nicht auf sicherheitspolitische Fragen, sondern nehmen in interdisziplinärer Perspektive Salafismus und Dschihadismus auch als gesellschaftliche Herausforderung ernst.
Mit Beiträgen unter anderem von Marwan Abou Taam, Claudia Dantschke, Aladin El-Mafaalani, Wolfgang Frindte, Rüdiger Lohlker, Ahmad Mansour, Götz Nordbruch, Daniela Pisoiu, Nico Prucha, Susanne Schröter, Riem Spielhaus, Nina Wiedl und Andreas Zick.
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